Packender Opernabend So war das Operndoppel „Cavalleria rusticana“ und Bajazzo“ in Bonn

Bonn · Erfurts Generalintendant Guy Montavon inszeniert die beiden Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo als Koproduktion mit seinem Haus

 „Pagliacci“: Anna Princeva (Nedda) und Ivan Krutikov (Tonio).

„Pagliacci“: Anna Princeva (Nedda) und Ivan Krutikov (Tonio).

Foto: Thilo Beu

Am Ende der beiden Kurzopern „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ („Bajazzo“) fließt Blut, in der Bonner Neuinszenierung von Guy Montavon sogar noch ein bisschen mehr, als es die beiden Komponisten Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo ursprünglich vorgesehen hatten. Doch wer in diesen zwei Eifersuchtsdramen über den heimgekehrten Soldaten Turrido aus der „Cavalleria“ und das heimliche Liebespaar Nedda und Silvio aus dem „Bajazzo“ hinaus vom Regisseur buchstäblich ans Messer geliefert wird, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: Dieser Clou dreht die Schraube des unausweichlichen Schicksals, das in den beiden Werken, die die Geburtsstunde des italienischen Opernverismo markieren, noch ein gutes Stück weiter.

Dass es Montavon, der seit 2002 Generalintendant des koproduzierenden Erfurter Theaters ist, die Sache mit dem Verismo, der in den 1890er Jahren einen lakonischen und durchaus drastischen Realismus auf die Opernbühne brachte, ernst ist, verdeutlicht er schon damit, dass der frühere Oberspielleiter der Bonner Oper die Idee seines Lehrmeisters und damaligen Chefs Giancarlo Del Monaco aus dessen über 20 Jahre alter Inszenierung aufgreift und den Prolog des „Bajazzo“ dem gesamten Doppelabend voranstellt – als Formulierung eines gemeinsamen ästhetischen Manifests. „Der Künstler ist ein Mensch und soll für Menschen schreiben“ singt der Bariton Ivan Krutikov als Tonio, der mit einer Doppelmaske die Bühne betritt, die er später vor sich auf den Boden legt, wo sie bis zum Ende symbolträchtig verbleiben wird. Nachteil dieser Klammer ist freilich, dass die eigentlich sehr konzentrierte Handlung erst langsam in Gang kommt.

Einmal in Fahrt jedoch gelingt Montavon eine packende Inszenierung. Und sich zudem von Del Monacos Wurf deutlich emanzipiert. Im Zentrum der Bühne stehen zu Beginn zwei überdimensionale Totenmasken der beiden Komponisten, die sich langsam nach hinten neigen, so dass die Gesichter zu einem Teil der Spielfläche des Stücks werden und dank Drehbühne sogar multiperspektivisch eingesetzt werden können. Eine, wenn auch nicht zwingende, so doch schöne Hommage an die Väter des Verismo. Das Osterfest, das hier eigentlich gefeiert wird, spiegelt das Bühnenbild freilich nicht wider, eher wäre es hier der Totensonntag, ein Eindruck, den auch die zahllosen weiteren kleinen Totenmasken, die Bühnenbildner Hank Irwin Kittel in die Nischen der halbrunden, die Bühne einfassenden Galerie platziert, unterstreichen.

Vor dem Hintergrund der Omnipräsenz des Todes gewinnt die sizilianische Dorftragöde an Intensität, die nicht zuletzt durch eine kluge Personenführung und deren Umsetzung durch das exzellente Ensemble spürbar wird. Die Sopranistin Dshamilja Kaiser singt die sichtbar schwangere Santuzza, mit der sich Turrido nach dem Verlust der Geliebten Lola an den wohlhabenden Fuhrmann Alfio tröstet, mit großer Stimme und Ausdruck.

Ihr Leiden an der Untreue Turridos, der erneut ein Verhältnis mit Lola beginnt, stellt sie überaus nuancenreich dar. In den kleineren Partien der Lucia und der Lola überzeugen Mezzosopranistin Anjara I. Bartz und die junge Sopranistin Ava Gesell. Anders als für die drei weiblichen Rollen ist der Abend für die männlichen Antagonisten George Oniania (Turrido) und Ivan Krutikov (Alfio) mit der „Cavalleria“ noch nicht vorbei: Sie stehen sich auch „Bajazzo“ noch einmal im gegenüber. Auch der Chor spielt in beiden Opern eine Hauptrolle. Selbst wenn Kostümbildnerin Bianca Deigner ihn in schwarze Kleider hüllt, ist er szenisch sehr präsent. Im „Bajazzo“ sogar noch ein bisschen mehr. Musikalisch haben Marco Medved und Ekaterina Klewitz Chor und Kinderchor exzellent vorbereitet.

Dass der „Bajazzo“ effektvoller ausfällt, liegt natürlich ein bisschen in der Natur der Sache. Leoncavallo spielt hier mit dem Prinzip des Theaters im Theater, lässt die Grenzen zwischen dem Leben auf der Bühne und dem wirklichen Leben verwischen. Kittels Einheitsbühnenbild wird hier mit einer mit dem Gesicht nach unten gekehrten Maske wirkungsvoll variiert.

Im „Bajazzo“ steht eine Frau, Nedda, zwischen drei Männern – ihrem Gatten und Theaterprinzipal Canio, dem ihr verfallenen intriganten Tölpel Tonio und ihrem Geliebten Silvio. Die Sopranistin Anna Princeva spielt virtuos mit dieser Herausforderung, wirkt keck, lasziv und leidenschaftlich, dann wieder unschuldig und verletzlich. Auch gesanglich holt sie dies alles aus ihrer anspruchsvollen Partie heraus.

Den Showdown bereitet Montavon in der Komödie auf grandiose Weise vor, indem er alles auffährt. Jongleur und Feuerspucker finden sich da. Und eine Schaukel, auf der Peppe als Harlekin singend aus der schwindelnden Höhe des Schnürbodens herabschwebt und der in schrillem Gelb gekleideten Colombine/Nedda einen Platz anbietet. Hier wird sie ihren Tod durch die Hand des rasend eifersüchtigen Canio finden, den George Oniani mit markant kräftiger Tenorstimme ausstattet.

Ivan Krutikov gibt den Strippenzieher Tonio mit linkischer Verschlagenheit und mit schön gefärbter Baritonstimme. Auch Giorgos Kanaris als tragisch unglücklicher Liebhaber Silvio und Ensembleneuzugang Kieran Carrel als Peppe singen auf höchstem Niveau. Am Ende senken sich die beiden Totenmasken aus der „Cavalleria“ wieder herab, die Klammer wird geschlossen, und das Publikum ist begeistert.

Auch vom Orchester, das mit Will Humburg am Pult die Emotionen hochkochen ließ und vom Prolog bis zum pointierten Finale einen großen Abend hatte.

Die nächsten Termine: 15. und 30. November; 5. und 25. Dezember; 9. und 25. Januar 2020. Karten gibt es in allen Bonnticket-Vorverkaufsstellen.

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