Kölner Museum Ludwig Große Werkschau für den französischen Künstler Pierre Huyghe

Köln · Der Künstler gibt die zickige Diva, lässt die wochenlang vorher angesetzte Presse-Vorbesichtigung seiner Schau kurz vorher absagen. Noch sei nicht alles richtig ausgeleuchtet.

 Aquarium vor schwarzem Eis: Blick auf zwei Arbeiten von Pierre Huyghe im DC-Saal des Museums Ludwig.

Aquarium vor schwarzem Eis: Blick auf zwei Arbeiten von Pierre Huyghe im DC-Saal des Museums Ludwig.

Foto: Thomas Brill

"Pierre Huyghe ist eben Perfektionist", entschuldigt ihn die Kuratorin und kommissarische Museumsdirektorin Katia Baudin, die den Medien vorab nur optische Kostproben der großen Kölner Retrospektive servieren durfte.

Später sah man dann freilich, dass der Franzose (51) mehr als enervierende Genie-Allüren zu bieten hat. Der schon documenta-erfahrene Windhund "Human" trabt mit magentafarbener Vorderpfote anmutig durchs Museum Ludwig, Ameisen krabbeln aus der Wand, und draußen wird der Kopf einer liegenden Frauenskulptur von einem Bienenvolk umschwirrt.

Wohin man auch blickt, verschränken sich Kunst und Natur: So baut sich in einem der traumschönen Aquarien ein Einsiedlerkrebs sein Haus in einer Kopie von Brancusis Skulptur "Die schlafende Muse".

Diese Aquarien sieht Huyghe als Symbole für Museen, die er mit seinen kreativen Ökosystemen meist hart an ihre Belastungsgrenzen führt. Für den rastlosen Forschungsreisenden, der etwa Fundstücke aus der Arktis oder einer südamerikanischen Kristallhöhle präsentiert, ist auch die eigene Karriere eine lange Expedition.

Nach Köln bringt er davon rund 60 Souvenirs mit, allen voran den Grundriss der vorigen Ausstellungsstation im Pariser Centre Pompidou. Wobei er die langen Wände am Computer zerschnitt und als Zickzackparcours für das Museum Ludwig neu collagierte.

In jeder Ecke lauern Entdeckungen. Hier flimmert Huyghes Film "The Host and the Cloud" als magisch-irrlichternde Fabel über die Leinwand, dort begegnet man womöglich einem der Mitspieler, der sporadisch auftritt. Ohnehin wuchern Performance und Installation schillernd ineinander.

Jene verdrehten Stoffbahnen, die wie ein Gespenst am Boden liegen, entpuppen sich laut Baudin als "innere Membran" eines früheren Turiner Ausstellungsorts von Pierre Huyghe. Was aber haben die goldenen Ballettschuhe auf weißem Podest hier verloren? Nun, an Gene Kellys Todestag (2. Februar) würde wohl in ihnen getanzt, doch so sind sie nur poetischer Tribut an "Singin' in the Rain".

All diese nicht eben auf der Hand liegenden Bezüge soll der von einem "Name Announcer" angekündigte Besucher getrost beiseite lassen und, nur mit einem Lageplan bewaffnet, durchs Anspielungs-Labyrinth vagabundieren. Darin rekapituliert der Künstler einerseits sein Werk, wenn er etwa den Kasseler documenta-Komposthaufen im Film als wimmelnden Kosmos inszeniert.

Gleichzeitig entwickelt er es permanent weiter. In Paris drehte eine Eisläuferin elegante Pirouetten auf makellosem Eis, hier aber sieht man im DC-Saal eine lavaschwarze, scharfkantig aufgebrochene Eisfläche, die kein Schlittschuh berühren wird. Und statt hörbarer Musik gibt es an der Wand nur die "Partitur" von John Cages stillem Stück 4'33".

Man darf gespannt sein, wie diese sinnlich-hintersinnige Konzeptkunst für jene funktioniert, die sich bloß mit kindlicher Neugier treiben lassen. Vermutlich gut, denn allein die Aquarien mit ihren tanzenden Meerspinnen oder die von Nebelschwaden und Satie-Klängen durchzogene "Light Box" laden zur Meditation ein.

Bis 13. Juli, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Do im Monat 10-22 Uhr. Heinrich-Böll-Platz 1. www.museum-ludwig.de

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