Udo Jürgens Glanzvoller Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena

Köln · Für Leute seines Alters ist es eigentlich Zeit ans Zubettgehen zu denken. Udo Jürgens ist 78 Jahre alt. Er hat den weißen Bademantel bereits an, ohne allerdings um kurz vor elf Uhr abends an Nachtruhe zu denken. Er steht alleine am Klavier, bedankt sich für die herzliche Aufnahme durch das Publikum in der Kölner Lanxess-Arena, die er beharrlich Arena nennt.

 "Aber bitte mit Sahne": Glanzvoller Auftritt von Udo Jürgens in Köln im Oktober 2012.

"Aber bitte mit Sahne": Glanzvoller Auftritt von Udo Jürgens in Köln im Oktober 2012.

Foto: dpa

Diesen "Quatsch" mit den Unternehmenspräfixen will er nicht mitmachen. Da ist er bockig. Aber er ist gut gelaunt und er freut sich über Köln, über die Menschen, die an diesem Abend gekommen sind, um ihn zu sehen. 7000 sind es. Besonders glücklich macht Udo Jürgens, dass sein ehemaliger Kapellmeister Willi Dussmann, seine Tochter Jenny und Mario Adorf darunter sind.

Er setzt sich an seinen Flügel und singt mit fester, melancholischer Stimme so berührend "Merci, Cherie", dass es einem die Seele aufraut. 1966 errang er mit diesem Titel beim dritten Anlauf den Sieg im Eurovision Songcontest. Es war der Anfang einer im deutschen Raum ziemlich einzigartigen Karriere. Mehr als 1000 Songs schrieb er und verkaufte etwa 100 Millionen Alben.

Er kennt auch die Abstürze. Er hatte Alkoholprobleme, zwei Scheidungen, diverse Vaterschaftsklagen. Aber Jürgens hob nie ab. Er ist auch an diesem Abend einfach Udo Jürgens - der begeisterte Musiker und ins Leben Verliebte. "Vertraue auf dich! Vertrau' auf die Liebe! Wer nie verliert, hat den Sieg nicht verdient!" sind seine Botschaften.

Wenn es nicht die Essenz seines Lebens wäre, es klänge nach Westentaschenpsychologie. Die zeitkritischen Diagnosen "Du bist durchschaut" und "Alles ist so easy" seines aktuellen Albums "Der ganz normale Wahnsinn" mögen etwas onkelhaft und plakativ sein. Aber er wagt den Einspruch und erntet dafür an diesem Abend berechtigt Zuspruch. Zuspruch erhält er auch dafür, den Wünschen nach einer Best Of-Setlist zu widerstehen.

Der erste Teil des Abends gehört vorwiegend seinem neuen Album, das sein hervorragend aufspielendes Orchester "Pepe Lienhard" so dicht und lebendig vorträgt, dass man allein aus diesem Grund den Konzertbesuch nicht bereut. Der Crew gelingt das Kunststück, auch in der schwer beschallbaren Lanxess-Arena einen glasklaren Sound zu schaffen.

Einer der Höhepunkte des Abends sind Ausschnitte aus seiner fürs Fernsehen verfilmten Familiengeschichte "Der Mann mit dem Fagott", die sein Orchester mit der zauberhaften Geigerin Asya Sorshneva zu einem beeindruckenden Erlebnis verdoppelt: Breitwandkino und Philharmonie in einem.

Immer wieder werden Udo Jürgens Blumensträuße und Briefe von weiblichen Fans gereicht, für die er sich respektvoll bedankt: "Ich weiß, dass hinter jedem Strauß und jedem Brief eine Lebensgeschichte steht." Nach der Pause treiben die Hits weibliche wie männliche Fans in Scharen an den Bühnenrand.

Man träumt von der Möglichkeit des Ausstiegs aus dem Normalleben ("Ich war noch niemals in New York"), feiert die neuen Möglichkeiten des Rentenalters ("Mit 66 Jahren") oder lächelt über Omis, die es sich gut gehen lassen ("Aber bitte mit Sahne"). Und man freut sich über Udo Jürgens, der auch im hohen Alter einen musikalisch wie menschlich so wunderbaren Abend schaffen kann. Was ist sein Geheimnis? Liebe das Leben und hüte dich vor der Biederkeit!

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