Magische Momente Glänzende Jazzfest-Konzerte in Bundeskunsthalle und Kammermusiksaal

Bonn · Es kommt selten vor, dass Peter Maternas Jazzfest-Konzept, zwei heterogene Positionen an einem Abend aufeinandertreffen zu lassen, zu so einer perfekten Harmonie führt wie am Mittwoch in der Bundeskunsthalle. Ein Abend wie aus einem Guss.

 Zauber des Schlagwerks: Marilyn Mazur in der Bundeskunsthalle. FOTO: JFB

Zauber des Schlagwerks: Marilyn Mazur in der Bundeskunsthalle. FOTO: JFB

Dabei waren die Gäste denkbar gegensätzlich: Hier der coole, präzise Trompeten-Jazz von Frederik Köster, dort die kreativ wabernde, geradezu esoterische Klangwolke der Dänin Marilyn Mazur mit ihrem "Celestial Circle". Kann das zusammengehen? Es war ein Ereignis. Kösters Quartett "Verwandlung" begann den Abend, wobei der Trompeter seinen exzellenten Ruf mit einem intensiven, mitunter aggressiven Stil unter Beweis stellte, der sich deutlich von den Brönners und Wülkers der Szene abhebt.

Zusammen mit seinen tollen Partnern Sebastian Sternal am Piano, Joscha Oetz am Bass und dem Schlagzeuger Jonas Burgwinkel schwelgte das Quartett auf den Spuren von Kafka, Murakami und Irving, und Köster zeigte bei James Joyces "Alone", dass er auch ein exzellenter Sänger ist. Burgwinkel, vor einem Jahr mit Denis Gäbel im Pantheon Casino zu hören, gab auch in der Bundeskunsthalle den unorthodoxen Drummer.

Es war ohnehin ein Abend der Schlagzeuger. Zunächst Geräusch- und Rhythmustüftler Burgwinkel in Kösters Quartett, im zweiten Konzertblock dann Marilyn Mazur, die aus ihrem mit Glöckchen und Schellen behangenen sowie mit mächtigen Gongs bestückten Percussionskäfig heraus eine unglaubliche Magie entfesselte. Worte können nicht ausdrücken, wie Mazur ihre Stücke entwickelt, wie sie den Klangteppich ausrollt für die außergewöhnliche Stimme der Josefine Cronholm. Die quirlige Mazur, die schon mit Miles Davis musiziert hat, und die fast 20 Jahre jüngere, eher ruhige Schwedin Cronholm ließen imaginär Antilopen durch die Bundeskunsthalle laufen, Bäume wachsen und kleine Vögel mit Stiefel durch die Halle stapfen - hätten nur noch Elfen und Trolle gefehlt.

Märchenstunde beim Jazzfest. Cronholms Stimme, ihr kehliges Klagen, ihre schlanken, körperlos wirkenden Melodien und trief grummelnden Urlaute fügten sich harmonisch in den Instrumentalkörper, den die hervorragenden John Taylor (Piano) und Klavs Hovman (Bass) glänzend bedienten. Thomas Kliemann

Immer wieder weiter, immer wieder neu: Das beinahe schon exzessive Streben nach Veränderung, entweder als radikaler Bruch mit der Vergangenheit oder als Modifizierung und Modernisierung von Altbekanntem, gehört zu den Grundpfeilern der Musik. Beim Jazzfest waren nun am Donnerstag zwei Künstler zu Gast, die ihren jeweils eigenen Weg abseits der ausgetretenen Pfade gefunden haben und selbstbewusst voran schreiten: Trompeter-Legende Enrico Rava, der alte Avantgardist, und Pianistin Julia Kadel, die junge Unbekümmerte.

Im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses haben die beiden nun mit ihren Trios ein Doppelkonzert gespielt, bei dem Kadel, die seit ihrem Debüt beim renommierten Label Blue Note Records als Shooting Star der deutschen Jazz-Szene gehandelt wird, für ihre völlig von Klischees befreite Musik bejubelt wird - und bei dem Rava zusammen mit seinem langjährigen Kompagnon Gianluca Petrella zeigt, dass die Verbindung von lyrischem Jazz und wilden Klang-Experimenten durchaus möglich ist. Wenn man eben vom Pfad abkommt.

Festen Schemata kann die 28-jährige Kadel nur wenig abgewinnen. Viele ihrer Stücke entstehen aus dem Moment heraus, geboren aus einem Schlagzeug-Rhythmus Steffen Roths etwa, der experimentierfreudig eine Grundlage schafft, auf die Kadel dann filigrane, vertrackte und zugleich organisch gewachsene Läufe setzt, während der oft stoisch agierende Karl-Erik Enkelmann dafür sorgt, dass seine beiden Kollegen sich nicht verlaufen.

Enrico Rava, einer der weltweit anerkanntesten italienischen Jazz-Musiker, geht er noch weiter als Kadel, zeigt sich mal extrovertiert-avantgardistisch, dann wieder in Zusammenarbeit mit seinem Zögling, dem Pianisten Giovanni Guidi, lyrisch-poetisch, dabei immer klar im Ansatz. Ihm gegenüber Posaunist Petrella, der junge Wilde, der gerne mal wie eine ganze Bläser-Sektion klingt. Thomas Kölsch

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