Ausstellung in Brühl Gezeichnete Mathematik

Brühl · Die unmöglichen Räume des M.C. Escher im Brühler Max Ernst Museum zeigen, wie die Realität manipuliert werden kann.

 Ein Blick auf die Säulen und Bögen macht M.C. Eschers „Belvedere“ (1958) vor der opulenten Kulisse der italienischen Alpen zum architektonischen Albtraum. FOTO: MUSEUM

Ein Blick auf die Säulen und Bögen macht M.C. Eschers „Belvedere“ (1958) vor der opulenten Kulisse der italienischen Alpen zum architektonischen Albtraum. FOTO: MUSEUM

Foto: Museum

Der Holländer M.C. Escher zählt wahrscheinlich zu den populärsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Welcher Schüler ist im Kunstunterricht nicht mit seinen schwindelerregenden Treppensystemen ohne Anfang und Ende, mit dem Wasserlauf, der immer wieder zum Ursprung zurückfließt, oder dem „Möbiusband“ traktiert worden. Und daran gescheitert, Eschers Konstruktionen nachzumalen? Die gezeichnete Mathematik des Künstlers hat Wissenschaftler fasziniert und inspiriert, Künstlerkollegen begeistert. Viele Effekte in Computerspielen basieren auf Escher, und ein genialer Film wie Christopher Nolans „Inception“ hat sich, was Erzähl- und Raumstruktur angeht, aus Eschers Universum bedient.

Umso verwunderlicher erscheint vor diesem Hintergrund, dass Maurits Cornelis (M.C.) Escher (1898-1972), dem inzwischen in Den Haag ein zauberhaftes eigenes Museum in einem Palais gewidmet ist, in Deutschland kaum in Ausstellungen vorgestellt wurde. 2009 präsentierte das Osthaus Museum in Hagen Eschers Kunst, davor, noch zu Lebzeiten des Holländers, war es der Kunstverein Bonn, der ihn 1969 im Rheinischen Landesmuseum zeigte.

Nun hat das Max Ernst Museum in Brühl eine mit 100 Werken sehr ausführliche Retrospektive organisiert, die neben den tausendfach reproduzierten Treppenbildern und Wasserläufen viel eher Unbekanntes zeigt, sehr viele frühe Arbeiten, die erklären, wie Escher zu seiner irritierenden Raumkunst fand. Und wo die Wurzeln liegen: Es waren die Berge und Städte der Toskana und Apuliens, die den jungen ehemaligen Architekturstudenten aus den platten Niederlanden inspirierten. Über die französische Riviera gelangte er 1921 nach Norditalien.

In Italien fand er nicht nur die bizarre Skyline von San Gimignano mit den verwinkelten Gässchen und aufragenden Geschlechtertürmen in einer aufgewühlten Topographie, die schroffen Felsen und Berghänge der Abruzzen, an denen wie Bienenwaben Häuschen kleben. In Italien fand Escher auch seine Frau Jetta, die ihm die Söhne George, Arthur und Jan Christoffel schenkte.

Die Brühler Schau fügt die Puzzlesteine zu Eschers Werk auf unnötig grell hellgrün und pink bemalten Wänden zusammen, zeigt die penibel gezeichneten italienischen Landschaften, die Architekturen, reale, aber höchst verwirrende Räume wie die Mezquita von Córdoba mit ihrer irritierenden Halle voller Bögen, Säulen und Sichtachsen.

Ein virtuoses Vorspiel zu Eschers unmöglichen Räumen. Interessant ist, dass er parallel zu seinen italienischen Ansichten mit Ornamenten experimentierte, die aus geometrischen oder figürlichen Motiven bestanden. „Flächenfüllungen“ nannte er seine Raster von ineinandergreifenden und sich schier endlos wiederholenden Formen.

Mitte der 30er Jahre führt er in höchster Präzision die verschiedenen Welten, die Naturbeobachtung und die Geometrie oder Mathematik, zusammen. Es entstehen Stillleben, die sich nach hinten zu einer Straßenszene öffnen, eine vier Meter lange grafische Metamorphose, die mit Worten startet, die sich erst in Muster verwandeln, dann in Reptilien, Bienen, Fische, schließlich in Häuser und Schachfiguren, um schließlich wieder mit Schrift zu enden.

Die sichtbare Realität erscheint manipulierbar, veränderbar. Escher wird immer besser mit seinen irritierenden Wandlungen, die flankiert werden vom regen Austausch mit Mathematikern wie Bruno Ernst sowie Lionel und Roger Penrose. 1948 entstehen die sich selbst zeichnenden Hände, 1951 entwickelt er das verschlungene „Treppenhaus“, über dessen Stufen in endlosen Schleifen amphibienartige „Krempeltierchen“ krabbeln. Man braucht einige Zeit, um die verschiedenen Ebenen dieses Blattes (das sich von allen Seiten „lesen“ lässt“) zu analysieren. 1958 verwirrt das „Belvedere“, eine verdrehte Turmkonstruktion, die Sinne. Am Fuß des Turmes erkennt man eine ratlose Figur, die die Struktur zu ergründen versucht. Der Betrachter fühlt sich nicht anders. 1961 zeichnet Escher seinen nicht enden wollenden Wasserkreislauf, 1963 lässt er Ameisen über das kunstvoll verdrehte Möbiusband laufen.

Wer hier noch nicht schwindelig genug ist, bekommt bei den Computerspielen im Foyer oder mit dem neuen Virtual-Reality-Headset Samsung Gear vor den Augen den Rest. „Escher 2.0“ holt die Kunst des Holländers in die Gegenwart. Er hat es verdient.

Max Ernst Museum, Brühl; 21. Februar bis 22. Mai. Di-So 11-18 Uhr. Katalog 29,80 Euro. Rahmenprogramm unter www.maxernstmuseum.lvr.de

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