Gewaltige Klangwirkung bei Chor- und Kammermusik in Bonn

Gigantisch war der Eindruck, den das Konzert der beiden Kammerchöre Consono aus Köln und Ensemble vocal aus Hamburg in der Kreuzkirche hinterließ.

Bonn.Kreuzkirche. Gigantisch war der Eindruck, den das Konzert der beiden Kammerchöre Consono aus Köln und Ensemble vocal aus Hamburg in der Kreuzkirche hinterließ. Nicht nur wegen der außerordentlichen vokalen Qualitäten der Ensembles, sondern auch wegen des Zuschnitts der meisten an diesem Abend gesungenen Werke.

Nachdem sich die Kölner mit einem rhythmisch präzise vorgetragenen "De circuito aeterno" von Petr Eben und die Hamburger mit "The Deer's Cry" von Arvo Pärt vorgestellt hatten, standen Werke für 16, 19 oder gar 40 Stimmen auf dem fortan gemeinsam gesungen Programm.

Das versprach geradezu gewaltige Klangerlebnisse. Wenn etwa die gut 70, hier rund um das Publikum postierten Sängerinnen und Sänger bei Thomas Tallis' Motette "Spem in allium" nach allerlei polyphonem Gewusel auf einen Schlag einsetzen, ist das ein schier überwältigender Surround-Sound. Harald Jers und Cornelius Trantow, die Dirigenten von Consono und des Ensemble vocal, wechselten sich mit der Leitung einträchtig ab.

Während Trantow etwa die recht flott, aber mit absolut klarer sprachlicher Diktion gesungene 16-stimmige Motette "Warum toben die Heiden" von Heinrich Schütz und das 19-stimmige "Buccinate" von Giovanni Gabrieli dirigierte, übernahm Jers die Komposition "Veni Creator Spiritus" von Carl Rütti, eine 40-stimmige Chorfantasie über den Pfingsthymnus, die virtuos mit dem Raumklang spielt. Ein Erlebnis von überirdischer Qualität.

Mathematik-Zentrum. Neben dem Arithmeum für Diskrete Mathematik schickt sich nun auch das im neoklassizistisch-jugendstiligen Gebäude der ehemaligen Landwirtschaftskammer Rheinland residierende Mathematik-Zentrum der Bonner Universität an, Konzerte zu veranstalten.

Im Gegensatz zum postmodern unterkühlten Ambiente in der Lenné-Straße kann das holzgetäfelte Präsidenten- und Sitzungszimmer in der Endenicher Allee mit einer vorzüglichen Akustik aufwarten. Unter dem Motto "Mai-Variationen" legte das Goldberg-Trio Bonn mit zwei Abenden mit unterschiedlichen Programmen möglicherweise den Grundstein für eine neue, engagierte Kammermusikreihe.

Geigerin Verena Schoneweg, Harald Schoneweg, früher Bratschist des Cherubini-Quartetts, und Christian Brunnert, Soli-Cellist im Beethoven Orchester, sorgten am ersten Abend mit drei Fantasien von Purcell in historisch orientierter, sorgfältig differenzierter Lesart für einen frischen Auftakt.

Es folgte Beethovens G-Dur-Trio aus op. 9, bei dem sich der analytische Ansatz und eine nachgerade glühende Musikalität keineswegs ausschlossen. Noch bemerkenswerter fiel Gideon Kleins 1944 in Theresienstadt, kurz vor seiner Ermordung in Auschwitz, entstandenes Trio aus, das in seiner "rauen Schönheit" klangsprachlich Janácek, Schönberg und Strawinsky verpflichtet ist und mit "Hochachtung vor dem Komponisten" (Brunnert) musiziert wurde.

Ein weiteres Juwel präsentierte das Goldberg-Trio mit Jean Cras' A-Dur-Trio. Als Kontreadmiral der französischen Marine war Cras weit in der Welt herumgekommen und insbesondere von der Karibik beeinflusst. Die Streicher können hier sehr plastisch ihre Charakteristika ausspielen. Als Zugabe spendierte man gut gelaunt Piazzollas "Libertango".

Bundeskunsthalle. Dass Neue Musik nicht unbedingt massentauglich ist, dürfte kein Geheimnis sein. Vielleicht war auch diese Einsicht Grund für die Verpflichtung der WDR-2-Sportreporterin Sabine Töpperwien als prominente Patin und Moderatorin des diesjährigen Konzertes der Reihe "Klingt gut" des Deutschen Musikrates in der Bundeskunsthalle.

Der musikalisch von dem Düsseldorfer Ensemble Différance bestrittene Abend stand unter dem Motto "Spiel, Satz ? Musik". Dass Töpperwien keine Ahnung von Neuer Musik hat, räumte sie zu Beginn freimütig ein. Als Moderationsprofi umschiffte sie diese Klippe aber souverän und schaffte es, die Stücke locker und informativ anzukündigen.

Eine veritable Uraufführung gab es mit Stefan Johannes Hankes in intelligenter Weise mit dem Zeitbegriff spielendem Opus "Zeitspiel" ebenso wie einige Klassiker der neuen Musik: Iannis Xenakis? Rebonds B für Schlagzeug, Auszüge aus György Kurtags Jatekok für zwei Klaviere und Mauricio Kagels Match für Schlagzeug und zwei Cellisten.

Spannend war indes auch Ignacio Fernández Bollos mit kleinsten Tonhöhenänderungen experimentierenden "El Espantapajaros" für mikrotonalen Synthesizer und Cello. Arg traditionell muteten Stefan Thomas' "Toys" für Cembalo und Frank Zabels Concertino für jeweils zwei Pianisten und Schlagzeuger an.

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