Werkstatt des Bonner Theaters "Getürkt" feiert am Mittwoch Premiere

BONN · Auf Basis einer realen Geschichte hat Autor Jörg-Menke Peitzmeyer sein für den deutschen Jugendtheaterpreis 2012 nominiertes Stück "Getürkt" geschrieben - das feiert am Mittwoch in der Theater-Werkstatt als Kooperationsprojekt mit dem Offenburger Theater BaaL Novo seine Bonn-Premiere.

 Sinan Hancili verkörpert einen Türken, der sich dieser Nationalität verweigert.

Sinan Hancili verkörpert einen Türken, der sich dieser Nationalität verweigert.

Foto: Hubert Braxmeier

Musa soll weg. Raus aus Deutschland. Abgeschoben nach Istanbul, obwohl der 18-Jährige kein Wort Türkisch spricht, sich nicht als Türke fühlt, Opfer ist von Täuschungsmanövern der Eltern, die sich in den 80er Jahren als libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge ausgaben und ihren Sohn mit diesem Hintergrund aufzogen. Bis herauskommt: Alles getürkt. Beziehungsweise enttürkt. Die gesamte Identität Musas eine Lüge. Wer ist er? Und vor allem: Wo gehört er hin?

Auf Basis dieser realen Geschichte hat Autor Jörg-Menke Peitzmeyer sein für den deutschen Jugendtheaterpreis 2012 nominiertes Stück "Getürkt" geschrieben, das am Mittwoch in der Theater-Werkstatt als Kooperationsprojekt mit dem Offenburger Theater BaaL Novo seine Bonn-Premiere feiert.

Heimat ist da, wo das Herz ist, heißt es - Musas Herz ist in Deutschland. Doch dort ist er nicht länger erwünscht, seit Beamte das Geheimnis seiner Familie entdeckt haben. Und so wird Musa alles genommen: Seine Freunde, sein gewohntes Leben, seine Identität. "Er wird entwurzelt, verliert jeden Halt", erklärt Regisseurin Marita Ragonese, die sich nicht zum ersten Mal mit dieser Thematik auseinandersetzt.

Vor zwei Jahren hat sie Menschen in Asylantenheimen interviewt, Menschen auf der Flucht, Menschen ohne Heimatgefühl. Daraus ist "Heimat (n)irgendwo" entstanden, das Ragonese im Juli 2011 am Theater Bonn inszenierte - der Titel könnte auch über dem Leben Musas stehen.

Diesem jungen Mann, der nicht mehr sein darf, was er war, und nicht sein will, was er nach Ansicht der Behörden ist, leiht Sinan Hancili sein Gesicht. "Es ist schon etwas paradox: Sinan als Türke spielt Musa, der sich dieser Nationalität komplett verweigert", sagt Ragonese. Eine herausfordernde Rolle: "Manchmal dauert es mehrere Tage, bis ein Schauspieler für sich herausgefunden hat, wie man bei einem so komplexen Thema mit einer bestimmten Szene, mit bestimmten Emotionen umgehen muss. Aber das ist nichts, was man erzwingen kann."

Das Spiel mit den Nationalitäten hat Marita Ragonese übrigens konsequent umgesetzt - Die Schweizerin Fabienne Trüssel übernimmt alle weiblichen deutschen Rollen, Musas türkische Freundin Ceren wird von der Iranerin Elmira Rafizadeh verkörpert.

Parallel zur Geschichte Musas, der zwischen Abschiebehaft und Flughafen innerlich zugrunde geht, hat Autor Peitzmeyer übrigens eine weitere Ebene gesetzt: Die zweier Beamter der Ausländerbehörde, die in an eine Seifenoper erinnernden Szenen den bürokratischen Wahnsinn offenbaren und den nächsten Betriebsausflug planen.

Nach Istanbul. Wie passend. "Diese satirische Brechung macht das Stück so stark", glaubt Marita Ragonese. Ein Kontrastprogramm, das Musas Schicksal nur noch deutlicher hervorhebt. "In Offenburg, wo im Oktober 2012 die Uraufführung stattfand, hat das Stück auf jeden Fall sehr gut funktioniert", erzählt Ragonese.

Termine: 9., 10., 25. und 26. Januar, jeweils 20 Uhr. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen und bei bonnticket.de.

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