Beethovenfest Getanzte Philosophie

Mit dem Auftritt der Göteborg Operans Danskompani hält der Tanz Einzug ins Festival. Im Bonner Opernhaus zeigte sie Arbeiten der Star-Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui und Saburo Teshigawara.

 Szene aus Sidi Larbi Cherkaouis Choreografie "Noetic".

Szene aus Sidi Larbi Cherkaouis Choreografie "Noetic".

Foto: Barbara Frommann

Man braucht eigentlich nur einen Blick auf die Bühne zu werfen, wo ein Schwarm von Tänzerinnen und Tänzern in den von dem Designer-Duo Les Hommes entworfenen eleganten schwarzen Lackkleidern und feinen schwarzen Knieschonern respektive dunklen Anzügen vorüberhuscht, eilig und virtuos immer wieder neue Muster und Figuren bildet, um zu sehen, dass man es mit einem technisch makellosen Ensemble-Körper zu tun hat.

Die Rede ist von der Göteborg Operans Danskompani, die auf Einladung des Beethovenfestes im Opernhaus den Doppelabend "Spirit" von Sidi Larbi Cherkaoui und Saburo Teshigawara vorstellte, beides total angesagte Star-Choreografen der internationalen Tanzszene.

Der erwähnte Schwarm ist Teil von Cherkaouis Stück "Noetic", das die Interaktion zwischen Menschen tänzerisch virtuos und in schnellem Takt durchdekliniert. Wechsel von Solo, Duo und Ensemble-Szenen vollziehen die Männer und Frauen in atemberaubender Geschwindigkeit.

Die Musik spielt hier immer eine wesentliche Rolle, weil der Komponist Simon Brzóska sie für Cherkaoui und sein Stück und mithin den Tänzern auf den Leib geschrieben hat. Gespielt wurde sie live im Orchestergraben des Hauses von den Bochumer Symphonikern unter Leitung des Dirigenten Henrik Schaefer.

Dass die Komposition im Gegensatz zur Choreografie keineswegs Avantgarde ist, stört das Zusammenwirken nicht wirklich. Im Gegenteil. Die Musik ermöglicht den Bewegungsfluss, wofür auch der Einsatz der von Shogo Yoshii auf der Bühne gespielten japanischen Trommel steht.

Lediglich dort, wo die Musik den Kitsch streift oder, wie beim Auftritt der Sängerin Miriam Andersén, eine esoterische Note erhält, wird es schwer erträglich. Das wirkt dann ebenso bedeutungslastig wie die von den Tänzern in englischer Sprache und rasend schnell vorgetragenen Texte des hippen Internetzeitalter- und Youtube-Performance-Philosophen Jason Silva.

Muss man sie verstehen, um das Stück zu verstehen? Vielleicht. Aber wenn man sie nicht versteht, ist auch nicht schlimm, denn "Noetic" ist so gut choreografiert, dass der Tanz für sich stehen kann. Es ist schon beeindruckend, wenn das Ensemble aus biegsamen Stangen geometrische Figuren bildet, Ringe oder am Ende eine Erdkugel, die das Ensemble zum Schweben bringt. Zum Schluss bleibt ein Tänzer allein zurück in dieser Konstruktion. So sieht Einsamkeit aus.

Auch der Japaner Saburo Teshigawara denkt viel über sein Tun nach. Und auch sein Stück "Metamorphosis" besitzt eine gewisse philosophische Tiefe. Das spürt man schon, wenn man den Tänzern zu Beginn zusieht, wie sie sich am Boden winden, ihr vegetatives Zucken beobachtet, das an schlüpfende Larven erinnert. Tatsächlich erfahren diese Wesen eine permanent Metamorphose, die von Chormusik aus denFedern von Olivier Messiaen und Maurice Ravel sowie elektronischen Klängen begleitet wird. Schaefer leitete hier den großartig singenden Landesjugendchor NRW.

Teshigawara hat ein Stück heftigster Kontraste geformt. In einer beeindruckenden Szene liegen die Tänzer in ihren Nacktheit assoziierenden beigefarbenen Kostümen regungslos auf dem Boden. Quälend lange Minuten - was im Publikum Reaktionen von Applaus über Gelächter bis zu lautem Husten provozierte. Gelegentlich aber schrecken sie völlig synchron aus der Stille auf wie aus einem Albtraum. Jedes Mal richten sie sich höher auf, bis sie sie von der Musik erlöst werden. An anderer Stelle beendet Teshigaware eine ruhige Episode mit dem Einsatz heftiger, maschinenhafter elektronischer Beats, die die Tänzer regelrecht vor sich her treiben. Für seine Leistung erntete das Ensemble aus Schweden begeisterten Applaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Momente der Entrückung
Momente der Entrückung
Philippe Jordan dirigiert die Wiener Symphoniker in der BeethovenhalleMomente der Entrückung