100 Jahre Westdeutsche Konzertdirektion Köln Festkonzert am Dienstag mit Daniel Barenboim

Köln · Der hundertste Geburtstag wäre eigentlich ein passender Anlass für ein Feuerwerk - groß und bunt und festlich. Auch im übertragend musikalischen Sinne. Doch die 1913 gegründete Westdeutsche Konzertdirektion in Köln feiert lieber, um im Bild zu bleiben, im Lichte schimmernden Kerzenglanzes. Die Konzertdirektion, die gewöhnlich die großen Orchester der Welt in die Kölner Philharmonie einlädt, zelebriert das Ereignis am kommenden Dienstag mit einem schlichten Klavierabend, der mit Daniel Barenboim freilich sehr hochkarätig besetzt sein wird. Er bringt ausschließlich Werke von Franz Schubert zu Gehör.

 Daniel Barenboim 2005 bei einem Auftritt in der Kölner Philharmonie.

Daniel Barenboim 2005 bei einem Auftritt in der Kölner Philharmonie.

Foto: THOMAS BRILL

Der Dirigent und Pianist ist ein bisschen Teil der Firmengeschichte, die wesentlich auch in Berlin spielt. Inhaber der Westdeutschen Konzertdirektion ist der Berliner Konzertagent Witiko Adler, der in der Hauptstadt auch die Konzertdirektion Hans Adler führt und mit 85 Jahren ein Urgestein der internationalen Konzertszene ist. Er hatte vor fünf Jahrzehnten den jungen Barenboim dem deutschen Publikum erstmals vorgestellt. Seither gehen sie hierzulande gemeinsame Wege. Dass auch Barenboims Sohn, der Geiger Michael Barenboim, bei Adler zu Hause ist, scheint da irgendwie schon eine Selbstverständlichkeit zu sein. Der sehr familiäre Stil der international agierenden Firma drückt sich auch darin aus, dass Adlers Frau Jutta Geschäftsführerin des Unternehmens ist. Ein paar Tage vor dem Geburtstagskonzert in der Philharmonie schaute die gebürtige Berlinerin in Köln vorbei und gab bei dieser Gelegenheit Einblick in das Unternehmen und seine Geschichte.

Die Verbindung zwischen der Westdeutschen Konzertdirektion und Adlers Firma besteht bereits seit Anfang der 60er Jahren. Damals sicherten drei Veranstalter das Überleben des angeschlagenen Kölner Unternehmens. Mit von der Partie waren neben Adler aus Berlin, Rudolf Wylach aus Wuppertal und Hans Ulrich Schmid aus Hannover, der wie Adler heute ebenfalls zu den ganz Großen der Branche zählt. "Aber im Grunde war mein Mann von Berlin aus immer schon der eigentlich Macher", sagt Jutta Adler. Folgerichtig übernahm Witiko Adler das Kölner Unternehmen 1971 ganz.

Grund für den zeitweiligen Niedergang der in den Anfangsjahren florierenden Westdeutschen Konzertdirektion waren die Nürnberger Rassegesetze des Dritten Reiches und der Zweite Weltkrieg. Bis dahin galt das von dem Musikalienhändler Heinrich Dubois 1913 gegründete Unternehmen als eine der führenden Konzertdirektionen Deutschlands. Die bis heute beliebten "Meisterkonzerte" gab es in Köln seit 1918. Schon in den frühen 30er Jahren ging der neue Firmenchef Dr. Schiff, dessen Vorname heute nicht mehr bekannt ist, mit der Berliner Agentur von Hermann Wolff und Jules Sachs eine Arbeitsgemeinschaft ein und gewann Namen wie Wladimir Horowitz, Sergej Prokofjew oder Igor Strawinsky für sich. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten übergab Schiff, der als Jude in die USA emigrieren musste, die Geschäfte an den Schweden Gustav Finemann, der aber schon wegen des Fehlens jüdischer Künstler das Niveau nicht mehr halten konnte.

Nach 1945 musste man im zerbombten Köln viele Jahre mit den Folgen des Krieges kämpfen. Selbst der 1955 wieder eröffnete Gürzenich erwies sich als wenig geeignet für Gastspiele großer Orchester. Bei nur 1100 Plätzen konnten gar nicht genügend Zuschauer kommen, um die Kosten zu tragen. Wenn die Berliner Philharmoniker kamen, war das ein riesiges Zuschussgeschäft, erinnert sich Jutta Adler.

Für Adler war die Übernahme zu dem Zeitpunkt aber auch deshalb interessant, weil der Konzertagent über Köln leichter Künstler in den Osten Deutschlands vermitteln konnten. "Wir waren ja als Berliner Firma für die DDR so etwas wie Aussätzige. Deshalb haben wir manche Sachen leichter über Köln abwickeln können", sagt Jutta Adler. Vor allem wenn es um noch wenig bekannte Künstler oder Kammermusikensembles ging. Bei den großen Stars kam auch die DDR nicht an Adler vorbei: "Wenn Yehudi Menuhin sagte, seine deutsche Alleinvertretung sei Adler in Berlin, dann galt das auch für die DDR. Auch Anne Sophie-Mutter hat zu Mauer-Zeiten gesagt: Meine Vertretung in Deutschland ist Adler."

Für die Westdeutsche wie für das Musikleben in Köln insgesamt war dann der Bau der 1986 eröffneten Philharmonie ein Glücksfall, der sich auch wirtschaftlich niederschlug. Witiko Adler verriet vor zehn Jahren in einem Zeitungsinterview, dass die erfolgreichen Konzertreihen mit ihren großen Orchesterkonzerten in Köln deutlich profitabler seien als die in Berlin. Auch heute gebe es Abende, die seien hier "total voll", die aber in Berlin gar nicht liefen, sagt Jutta Adler. "Das habe ich unter anderem mit Mischa Maisky erlebt."

Die Meisterkonzerte, die in Köln von den zwei Mitarbeiterinnen Nicole Verres und Claudia Stahnke betreut werden, sind bis heute ein Schmelztiegel der besten Orchester der Welt, die ohne öffentliche Subventionierung präsentiert werden. Das zu unterstreichen ist Jutta Adler wichtig. ebenso wichtig ist es ihr zu betonen, dass man bislang keinen Gedanken darauf verwende, das Kölner-Berliner Unternehmen zu verkaufen. Man wird also auch in der Zukunft mit den Meisterkonzerten rechnen dürfen. Darauf kann man beim Jubiläumskonzert das Glas heben. Dann nämlich gibt's Freibier, sprich: Kölsch für alle.

Am Dienstag, 17. Dezember, 20 Uhr spielt Daniel Barenboim in der Philharmonie drei Klaviersonaten von Franz Schubert. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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