Klavierabend und Schumannfest Familientreffen im Ballsaal

Keine große Rolle spielt die Musik von Philipp Jarnach heutzutage im Musikleben - und das, obwohl dieser Name seinerzeit in einem Atemzug mit Strawinsky oder Hindemith genannt wurde. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass sich seine Enkelin, die Pianistin Lucy Jarnach, dem Werk ihres Großvaters annimmt und es dem Vergessen entreißen will.

 Begeisternde Interpretationen: Die Geigerin Marina Chiche mit ihrem Instrument. FOTO: DAVID VON BECKER

Begeisternde Interpretationen: Die Geigerin Marina Chiche mit ihrem Instrument. FOTO: DAVID VON BECKER

Beim Schumannfest spielte sie im Schumannhaus ein außergewöhnliches Programm, das von Werken Jarnachs gerahmt wurde: zu Beginn die Sonatine op. 33, zum Schluss die Klavierstücke op. 17.

Die Sonatine ist ein eher verhaltenes Stück, eine Liebeserklärung an die Frau des Komponisten. Jarnach verstand es meisterhaft, diese subtilen Zwischentöne herauszuarbeiten. Auch bei den Klavierstücken op. 17 legte sie die eigentümliche Verbindung vom lyrischer Tiefe und musikalischer Herbheit offen, die die Musik ihres Großvaters auszeichnet.

Doch Jarnach zeigte sich auch mit anderen Werken als profilierte Pianistin, etwa mit Johann Sebastian Bachs Chromatischer Phantasie und Fuge, bei der ihr nur gegen Ende der Fuge ein kapitaler Lapsus unterlief. Doch die Verbindung von polyphoner Klarheit, sanglicher Stimmführung und improvisatorischem Duktus, vor allem in der Phantasie, gelang ihr geradezu exemplarisch. Anderes Beispiel: Maurice Ravels Gaspard de la nuit. Es gehört schon viel Mut dazu, so ein horrend schwieriges Stück in der Wohnzimmer-Akustik des Schumannhauses zu spielen, die alles ungefiltert an die Hörer weitereicht. Jarnach machte ihre Sache allerdings außerordentlich gut und zeigte sich in der Sarabande als luzide Klangweltenentdeckerin, in der überschäumenden Burlesca als ausgezeichnete Virtuosin.

Familienbande lautet beim diesjährigen Schumannfest das Thema, was sich beim Konzert der Geigerin Marina Chiche mit ihrer Klavierpartnerin Lidija Bizjak im Ballsaal in geradezu exemplarischer Weise im beziehungsreichen Programm zeigte. Robert und Clara Schumann waren ebenso vertreten wie Antonín Dvorák und Josef Suk - Ehemann und -frau also und Schwiegervater und -sohn.

Mit Robert Schumanns Sonate d-Moll op. 121 huldigte man gleich zu Beginn der großen Form. Das Werk hat mit einer knappen Dreiviertelstunde Spieldauer beinahe sinfonische Ausmaße, ein wahrer Kraftakt für die Interpreten. Chiche und Bizjak ließen sich das jedoch nicht anmerken. Energiegeladen machten sie sich an das Riesenopus und ließen dessen Dimensionen fast vergessen. Vor allem Bizjak stürzte sich mit großem Elan ins musikalische Getümmel und spielte ausgesprochen brillant. Sie brachte ihren Part in jeder Hinsicht auf den Punkt: präzise, feurig und gleichermaßen sensibel. Vor allem in den bewegteren Rahmensätzen der Sonate machte sich dies bemerkbar. Ihre Partnerin Chiche ließ sich jedoch nicht in den Hintergrund spielen, sie konnte nicht nur mithalten, sondern setzte gleichermaßen Akzente.

Der Rest des Abends war der kleinen Form vorbehalten: die drei Romanzen von Clara Schumann ließen deutlich werden, dass Clara als Komponistin zu Unrecht im Schatten ihres Mannes steht. Chiche und Bizjak servierten auch diese Stücke musikalisch à point. Die musikalische Verwandtschaft war im Falle von Dvorák und Suk ebenso unüberhörbar wie die stilistische Weiterentwicklung. Insofern machte die Gegenüberstellung zweier kleinerer Zyklen durchaus Sinn, dies, zumal musikalische und formale Gesichtspunkte näher beisammen liegen. Das romantische Melos kam bei Dvoráks Vier Stücken op. 75 ebenso zum Tragen wie die melancholische Note bei Suks Vier Stücken op. 17. Hier blieben beide Interpretinnen der Musik wirklich nichts schuldig und lieferten geradezu begeisternde Interpretationen ab.

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