Fälscherskandal kommt vor Kölner Gericht

Lempertz, Christie's, Sotheby's sowie bedeutendste Londoner oder Pariser Galerien wurden von vier mutmaßlichen Fälschern mindestens 15 Jahre lang geschädigt. Die Anklage im Donnerstag vor dem Kölner Landgericht beginnenden Prozess wirft dem Quartett "gewerbs- und bandenmäßigen schweren Betrug in 14 Fällen" vor.

Fälscherskandal kommt vor Kölner Gericht
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Köln. Sie sind ihnen alle auf den Leim gegangen: Lempertz, Christie's, Sotheby's sowie bedeutendste Londoner oder Pariser Galerien wurden von vier mutmaßlichen Fälschern mindestens 15 Jahre lang geschädigt. Die Anklage im Donnerstag vor dem Kölner Landgericht beginnenden Prozess wirft dem Quartett "gewerbs- und bandenmäßigen schweren Betrug in 14 Fällen" vor.

Knapp 16 Millionen Euro sollen durch den Verkauf falscher Campendonk-, Pechstein-, Derain- oder Max-Ernst-Gemälde ergaunert worden sein, weitere sechs Millionen seien nur deshalb nicht auf andorranischen Konten gelandet, weil drei weitere Fälschungen im Kunstmuseum Ahlen sichergestellt wurden. Die drei Hauptangeklagten sitzen seit einem Jahr in U-Haft, die minder schwer belastete Schwester eines der Angeklagten ist auf freiem Fuß.

Die Liste der geschädigten Käufer schillert vor Prominenz, US-Filmkomiker Steve Martin zählt ebenso dazu wie Großverleger Daniel Filipacchi und der deutsche Unternehmer Reinhold Würth. Wie konnte all das passieren? Einerseits hatten die mutmaßlichen Gauner eine geniale Legende ersonnen: Der Großvater der angeklagten Schwestern, der Kölner Unternehmer Werner Jägers, sei in der Weimarer Republik Großkunde des renommiertem deutsch-jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim gewesen und habe die Preziosen der Klassischen Moderne in einem Eifelversteck über die Kriegsjahre gerettet.

Eine "verschollene" Kollektion taucht auf und elektrisiert den Markt. Schade nur, dass Jägers ebenso wenig Kunst gehortet hat wie der Krefelder Schneidermeister Johann Wilhelm Knops. Dessen Werke bot der vierte Angeklagte feil, so dass sich zur erfundenen "Sammlung Jägers" die ebenso imaginäre "Sammlung Knops" gesellte.

Die Qualität der Fälschungen, die man dem angeklagten Gatten einer der Jägers-Enkelinnen anlastet, war freilich exzellent und der Alterungsprozess der Bilder so gut vorgetäuscht, dass zunächst niemand auf Details achtete: dass gewisse Farbpigmente zur angeblichen Entstehungszeit der Werke noch nicht gebräuchlich waren, dass das erstaunlich plump anmutende Etikett "Sammlung Flechtheim" plötzlich inflationär auftauchte, und dass die Rahmen mehrerer Bilder vom Holz ein und desselben Baums stammten. Ohnehin kamen materialtechnische Untersuchungen erst zum Zug, nachdem maßgebliche Experten gründlich geirrt hatten.

Dies gilt für die Expressionismus-Kennerin Andrea Firmenich ebenso wie für Max-Ernst-Fachmann Werner Spies, der die "Originale" zum Teil im südfranzösischen Anwesen der Angeklagten begutachtete und dann auf einem Foto der Gemälde attestierte, dass er sie ins Werkverzeichnis aufnehmen werde.

Dieser "Ritterschlag" war Gold wert, und der als Zeuge geladene Spies profitierte vom inzwischen mehrfach bedauerten Fehlurteil insofern, als er für die Weitervermittlung der "echten" Gemälde zum Teil sechsstellige Provisionen bekommen haben soll.

Die mutmaßlichen Täter wussten anscheinend sehr geschickt mit solchen Gepflogenheiten des Kunstmarkts umzugehen. Sie täuschten etwa auch das in fünf der 47 ermittelten Fälle betroffene Kölner Kunsthaus Lempertz, indem sie neben falschen auch zweifelsfrei echte Werke lieferten.

Viele der Betrogenen hatten sich offenbar allzu vertrauensselig aufeinander verlassen: Museum schauten nicht mehr ganz so genau hin, wenn sie ein später als falsch entlarvtes Bild ausstellten, das doch schon auf einer oder zwei Versteigerungen angeboten worden war. Umgekehrt war für die Auktionshäuser eine hochrangige Museumsschau eine Art indirekter Echtheitsbeweis fürs Exponat.

Bis Anfang März 2012 werden 14 der vertrackten Fälschungsfälle nun vor dem Landgericht Köln aufgedröselt, wobei die Angeklagten bisher nicht sonderlich kooperativ waren: Sie hüllten sich in Schweigen.

Falsch und teuer Max Ernsts "La Forêt (2)" erzielte unter den gefälschten Bildern den höchsten Preis. Über eine Pariser Galerie gelangte es 2006 für umgerechnet 5,5 Millionen Euro an Daniel Filipacchi. Von einem Londoner Händler erwarb die Liechtensteiner Hilti Art Foundation André Derains Gemälde "Matisse peignant a Collioure" für 4,5 Millionen Euro. Die Max-Ernst-Fälschung "La Horde" wurde von Christie's angeboten und ging dann für 4,6 Millionen Dollar in die Sammlung Würth. Mit 2,4 Millionen Euro teuerste bei Lempertz in Köln versteigerte Fälschung war Heinrich Campendonks "Rotes Bild mit Pferden".

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