Kunstmuseum Bonn Erwin Wurms "Narrow House" als Vorbote für "HEIMsuchung"

BONN · Dieses Kunstwerk ist nichts für klaustrophobisch veranlagte Menschen: Auf 1,2 Meter Tiefe hat der österreichische Künstler Erwin Wurm das Haus seiner Eltern geschrumpft, besser: gestaucht. Nicht nur außen ist diese Stauchung sichtbar, auch innen wird gepresst, erscheint die Welt fürchterlich beengt.

 Erwin Wurm hat das Haus seiner Eltern geschrumpft: Aufbauarbeiten vor dem Kunstmuseum. Links vorne Intendant Stephan Berg und Pressesprecherin Theresa Viehoff-Heithorn.

Erwin Wurm hat das Haus seiner Eltern geschrumpft: Aufbauarbeiten vor dem Kunstmuseum. Links vorne Intendant Stephan Berg und Pressesprecherin Theresa Viehoff-Heithorn.

Foto: Kliemann

Läuft man von der Seite auf das vor dem Eingang des Kunstmuseums sehende Durchschnittshaus mit schwarzem Satteldach zu, bemerkt man noch nicht, was passiert ist. Sieben Meter hoch ist es, 16 Meter breit, schwere Eichenholztür, Blumenkästen an den Fenstern, ein Haus von der Stange, fantasie- und glanzlos.

Erst beim Herumgehen und erst recht beim Betreten wird Wurms Manipulation optisch und physisch spürbar: Alles, was zum Inventar der Eltern und somit zum mehr oder weniger belastenden, auf jeden Fall prägenden Fundus einer Kindheit in der Steiermark gehört, wurde dort rekonstruiert, teilweise zusätzlich gestaucht.

Hier ist mehr als die kleinbürgerliche Spießigkeit, die buchstäbliche Enge in der österreichischen Provinz zum Thema gemacht worden: Wurm, der sein "Narrow House" bereits bei der Biennale in Venedig (2011) zeigte und 2010 im Kunstmuseum Bonn einer exzellente Werkschau hatte, arbeitet mit Erinnerungs-Splittern und ironischer Distanz, exakten Beobachtungen und Perspektiv- sowie Maßstabswechseln.

Gewöhnlich erscheinen in der Erinnerung Szenen, Dinge und Ängste aus der Kindheit größer. Wurm dreht diese Erfahrung um, wendet sie ins Absurde und Abstrakte, macht dadurch aber die Stereotype gegenwärtiger Wohnkultur umso deutlicher.

Wurms Schrumpfhaus - ein Gegenpol zum Irokesen-Langhaus der Bundeskunsthalle - ist Teil einer außergewöhnlichen Ausstellung, die das Kunstmuseum ab 9. Mai zeigt: "HEIMsuchung - Unsichere Räume in der Kunst der Gegenwart", so der Titel, wird eine der unheimlichsten Ausstellungen in der Geschichte des Kunstmuseums.

21 Künstler von John Bock bis Thomas Demand, Stephan Huber, Susanne Kutter bis Hans Op de Beeck werden Irritationen, Bedrohungen, Katastrophen und Abgründe im trauten Heim zum Thema machen. Heimatverlust in der Krise und allgemeine Unbehaustheit sind Zeichen der Zeit, der Begriff vom "Trauten Heim - Glück allein" funktioniert nicht mehr. Ein künstlerischer Horrortrip.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort