Erwin Stache ist neuer Bonner Stadtklangkünstler

Ein halbes Jahr lang wird der zweite Bonner Stadtklangkünstler auf Einladung der "Beethovenstiftung für Kunst und Kultur der Bundesstadt Bonn" im Stadtbild präsent sein.

Erwin Stache ist neuer Bonner Stadtklangkünstler
Foto: Thomas Kliemann

Bonn. Da fragt der Künstler schelmisch: "Reibt sich da nicht ein Gaukler hinter dem Rücken des Königs Vernunft die Hände vor Vergnügen?" Und weiter: "Ist denn das Musik? Ist denn das Theater? Ist denn das bildende Kunst? Darf eigentlich gelacht werden? ... Und was soll das alles bedeuten?"

Erwin Stache, der sich je nach Perspektive Klangsurrealist oder Klangrealist nennt, stellt sich selbst auf seiner Homepage die Fragen, die fallen, wenn er seine musikalischen Interventionen und Klanginseln in den öffentlichen Raum stellt.

Die Antworten muss sein Publikum geben: Ein halbes Jahr lang wird der zweite Bonner Stadtklangkünstler auf Einladung der "Beethovenstiftung für Kunst und Kultur der Bundesstadt Bonn" im Stadtbild präsent sein, mit Vorträgen, Workshops, wandernden Installationen und einer Vielzahl weiterer Projekte.

Während Staches Vorgänger Sam Auinger unter anderem das Bonner Loch beschallte, das inzwischen zum Klanggrund promoviert wurde, und zwei Dutzend "Hör-Orte" installierte, wird der aktuelle Stadtklangkünstler Stache sein Basislager in der Nordstadt aufschlagen: In der Maxstraße wird ein Ladenlokal angemietet, das Stache als Labor und Kommunikationsraum nutzen will.

Von diesem Nordstadtquartier ausgehend soll Bonn klanglich erschlossen werden, wie Stache am Montag bei seiner Vorstellung im Bonner Haus der Kultur erzählte: Es wird "Klanginseln 73,8 Kilo-Ohm" geben, die vom Kunstmuseum Bonn über die Südstadt und das Zentrum bis zur Nordstadt wandern. Ferner sind Schulprojekte geplant, die Reihe "Stadtklangforum" im Kunstmuseum sowie das Projekt "Sonotopia" in Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln und dem Beethovenfest.

Der Bürger wird bei Stache zum Akteur, erläutert der Kurator von "bonn hoeren", Carsten Seiffarth: "Stache stellt Klanginseln, gefüllt mit musikalischem Material, auf, das von den Bürgern aktiviert werden kann." Wie das aussieht: Auf einer Bühne stehen fünf bis zu 2,4 Meter hohe Stäbe, durch die ein schwacher Strom fließt. Bewegt sich der Mensch in diesem Feld oder fasst die Stäbe an, verändert sich der Widerstand.

Stache berichtet über eine Aktion: "Je nach Größe der Berührungsfläche und Stärke des Händedrucks ändern sich der Widerstand wie der Stromfluss und damit mikrorechnergesteuert auch die Tonhöhen und die Geschwindigkeit der Klangfolgen. Nur leidenschaftlich zupacken für entsprechendes Pathos - der Mikrocontroller erlaubt es!" Ein Glucksen und Wimmern, Brummen, Pfeifen und Quietschen entsteht auf der Klanginsel, wahlweise kann auch Klaviermusik verfremdet werden. Und der "musizierende" Bürger ist immer in Bewegung - "es soll Spaß machen".

"Der Mensch ist ein elektronisches Bauteil, ist Widerstand und Batterie", sagt Stache zum Prinzip seiner Arbeit. Der Klangtüftler, Objektbauer und Komponist kann auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen: 1960 in Schlema (Erzgebirge) geboren und in der DDR aufgewachsen, verband Stache schon früh Musik, Mathematik und Physik, war Kirchenorganist und Konstrukteur elektro-akustischer Instrumente.

Der experimentierfreudige Sachse sorgte mit seiner "Landmaschinensinfonie ST 210" für Mähbinder, Heuwender und zwei Traktoren für Aufsehen, brachte seinem "Waschmaschinenprogrammscheibenorchester" sogar eine Mozartsinfonie bei, installierte in vielen Orten seine Klangkästen und -inseln. Nach Hannover, Leipzig, München und Berlin ist nun Bonn an der Reihe.

Monika Wulf-Mathies, Kuratoriumsvorsitzende der Beethovenstiftung, freut sich auf spannende "Hörerlebnisse" und sieht Bonn als "Zentrum kreativer Klangkunst". Die Stadt stehe mit diesem Profil bundesweit alleine da. Die Stiftung lässt sich "bonn hoeren" in diesem Jahr 140 000 Euro kosten.

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