Konzerte in Bonn und Köln Entschleunigung in der Vorweihnachtszeit

Bonn/Köln · Ob gleich drei Klavierkonzerte ein und desselben Komponisten, selbst wenn er Johann Sebastian Bach heißt, an einem Abend nicht doch etwas ballastig wirken? Insgesamt war das Programm des Kammerorchesters der Münchner Philharmoniker freilich sinnfällig gewählt.

Kölner Philharmonie. Den Konzerten von Vater Bach (BWV 1058, 1052, 1055) stand mit der Sinfonie G-Dur Wq 182,1 das Werk eines seiner Söhne (Carl Philipp Emanuel) gegenüber, vom traditionellen Barockstil bereits gelöst. Außerdem spielte man in der Kölner Philharmonie Mendelssohns 9. Sinfonie.

Die Musiker aus München spielten wie aus einem Guss, blieben auch bei verzwickt raschen Tempi akkurat und elegant. Als Solist für die Bach-Konzerte war Martin Stadtfeld zur Stelle. Wenn ein junger Künstler von der Musik dieses Komponisten-Titanen derart stark begleitet wird wie der gebürtige Koblenzer und dafür immer wieder hohes Lob und Anerkennung erhält, überlegt man sich Einwände doppelt.

Bis hin zum heiter geprägten A-Dur-Konzert (BWV 1055), welches sich nach der Mendelssohn-Sinfonie gut machte, gab es zunehmende interpretatorische Gelöstheit zu registrieren.

Doch BWV 1058 irritierte schon mal durch unzureichende akustische Balance. Zudem besaß das geläufige Spiel des Solisten etwas eigentümlich Mechanisches. Da kam auch das straff aufspielende Orchester nicht recht zum Leben. Letzte Irritation: Bach/Gounods "Ave Maria" als Zugabe. Christoph Zimmermann

Theater im Ballsaal. Adventszeit ist ursprünglich Bußzeit: Besonders beim Klang-Gedudel auf Weihnachtsmärkten merken die gequälten Ohren, dass der geneigte Konsument in Eilmärschen gen Krippe gepeitscht wird. Zu büßen gab es aber nichts im Theater im Ballsaal, wo die Zuhörer von Dorrit Bauerecker ganz besonders beschenkt wurden: mit einem hinreißend interpretierten Klavierzyklus "Das Buch der Klänge" (1982) von Hans Otte.

Das zwölfteilige Werk ist der bisher letzte Höhepunkt zyklischer Klaviermusik, der bei Bach seinen Ausgang nimmt. Auf diesen bezieht sich Otte ebenso wie auf Schumann, John Cage oder Steve Reich. Das aber sind keine Zitate, sondern Ahnungen im Kopf des Hörers.

Mit höchster Konzentration und natürlich fließendem Spiel zog Bauerecker das Publikum in den Bann. Ganz im Sinne des viel begabten Otte, der auch ein exzellenter Pianist war, stellte die Künstlerin das Ausloten des Klanges in den Vordergrund. Bauerecker gestaltete einen Abend des musikalischen Nachdenkens und Nachhörens, der lange nachklingen wird. Jan Crummenerl

Kreuzkirche. "Joyful, joyful", jene "Ode an die Freude"-Adaption des Finalsatzes von Beethovens Neunter im Hollywood-Streifen "Sister Act" hatte dem vorweihnachtlichen Konzert der beiden von Tono Wissing künstlerisch verantworteten popig-jazzigen Chöre "Bonn Voice" und "Sunday Morning" das Motto geliehen.

In voll besetzter Kreuzkirche waren die inzwischen auch überregional Beachtung findenden beiden Chöre angetreten, der Hektik des Konsumrausches zum verkaufsoffenen zweiten Advent entschleunigend Paroli zu bieten. Klassische Weihnachtslieder standen dabei nicht in gewohnter Form auf dem Programm: "Es ist ein Ros' entsprungen" beispielsweise wurde klang(be)zaubernd intoniert zunächst als federleichte Vokalise über einem rezitierten Eichendorff-Gedicht.

Immer wieder ragen solistisch soulige "Shouts", das jeweilige Motto oder den Refrain reklamierend, aus einem sensibel intonierten, chorisch schwebenden Orgelpunkt heraus. Nicht selten sind die Texte von amüsant kritischem Witz. Oder aber die Arrangements widersetzen sich jedem sentimentalen Abgleiten.

Technisch bewegen sich beide Chöre auf außergewöhnlich hohem Niveau, das auch dann zu spüren ist, wenn sie sich musikalisch autonom bewegen müssen. Zu einem Höhepunkt geriet ein von Wissings Assistenten Rabih Lahoud a cappella vorgetragenes maronitisches Marien-Lied aus dem Libanon. Zum Schluss gab's Ovationen, denen unter anderem mit einem sehr speziellen "Hallelujah" aus Händels "Messiah" gedankt wurde. Fritz Herzog

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