"Rückblende" im Haus der Geschichte Eine Welt im Ausnahmezustand

Bonn · „Rückblende 2016“ im Haus der Geschichte: Das Bonner Museum zeigt die besten politischen Fotografien und Karikaturen.

 Brexit: Premierministerin Theresa May steigt aus.

Brexit: Premierministerin Theresa May steigt aus.

Foto: ga

Dass die Lady eine ausgeprägte Vorliebe für extravagante Schuhmode hat, ist wohlbekannt. Edle Pumps im Leo-Look oder atemberaubend hohe Penny-Absätze sind für Theresa May sozusagen Standard. Als die britische Premierministerin am 18. November 2016 in Berlin mit Angela Merkel zum Gespräch verabredet ist, wird sie in einer schwarzen Limousine am Bundeskanzleramt vorgefahren. Ein Sicherheitsbeamter öffnet die Tür zum Fond. Und da drückt Krisztian Bocsi, als Fotograf für die Agentur Bloomberg tätig, auf seinen Auslöser. Es entsteht eine preiswürdige Momentaufnahme.

Das Siegerfoto in der „Rückblende 2016“ besticht insbesondere durch die Fokussierung auf ein Objekt. Von Theresa May ist nicht viel mehr zu erkennen als ihr halbnacktes rechtes Bein, das aus dem nicht zu lang geratenen Rock eines Businesskostüms hervorragt, und ihr rechter Fuß, der in einem leuchtenden, glänzenden Designermodell steckt. Ein Fest für Schuhfetischisten. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass der Nagellack der britischen Premierministerin exakt auf den Rotton ihrer Schuhe abgestimmt ist: Großbritanniens Regierungschefin benötigt wahrlich keinen Stilberater. Aber Theresa May pflegt ja nicht allein einen exquisiten Schuhtick. Sie wird als „Mrs. Brexit“ in die Geschichtsbücher eingehen. Und so bekommt das Foto sofort einen anderen Kontext – es spielt auf den „Ausstieg“ von Großbritannien aus der Europäischen Union an.

Rund 100 Fotografien und 50 Karikaturen, die das innen- wie außenpolitische Geschehen im Vorjahr dokumentieren, zeigt das Haus der Geschichte in der „Rückblende 2016“, die Dienstagabend eröffnet wurde und bis zum 5. Juni im Pavillon gegenüber dem Haus der Geschichte zu sehen ist. Insgesamt hatten 213 Bildjournalisten und 67 Karikaturisten knapp 1200 Arbeiten eingereicht. „Aus produktionstechnischen Gründen“, wie es im Katalog heißt, berücksichtigten der Wettbewerb und die Ausstellung die Ereignisse bis Anfang Dezember des Jahres 2016. Das heißt: Auf den Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vom 19. Dezember wird die „Rückblende 2017“ eingehen.

Den ersten Preis unter den Karikaturen erhält Martin Erl für seine türkische Nationalflagge, die ihres Sterns beraubt ist, und in Zeiten der „Erdoganisierung“ der Türkei offensichtlich nur noch die weiße Mondsichel auf rotem Grund übrig bleibt. Der Verhaftungswelle fallen aus Sicht des Karikaturisten eben nicht nur politische Gegner, kritische Journalisten und Andersdenkende zum Opfer, sondern nicht zuletzt auch Symbole. Preiswürdig sind alle ausgestellten Arbeiten, und die Themenschwerpunkte liegen klar beim Brexit, beim Ausnahmezustand in der Türkei und bei den Flüchtlingen. Dem freien Fotografen Björn Kietzmann gelang am 14. März 2016 eine packende Aufnahme verzweifelter Flüchtlinge in einem reißenden Fluss an der griechisch-mazedonischen Grenze. Während Karikaturist Klaus Stuttmann, dessen Arbeiten regelmäßig auch im General-Anzeiger veröffentlicht werden, „Virtual Reality in Meck-Pomm“ illustriert: ein Ehepaar am einsamen Strand von Mecklenburg-Vorpommern, das Virtual-Reality-Brillen mit AfD-Schriftzug trägt und entsetzt ausruft: „Flüchtlinge! Überall Flüchtlinge!“

Die „Rückblende“ erlebt nunmehr ihre 33. Ausgabe, sie ist nach wie vor der höchstdotierte gemeinsame Wettbewerb für Fotografie und Karikatur in Deutschland. Veranstalter sind die Landesvertretung Rheinland-Pfalz und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger gemeinsam mit den Partnern Bundespressekonferenz und Fotofinder. Zu den Medienpartnern zählt neben dem Bonner General-Anzeiger auch der in Berlin erscheinende „Tagesspiegel“.

Bis 5. Juni im Pavillon gegenüber dem Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14, Bonn. Di-Fr 9-19 Uhr, Sa, So und feiertags 10-18 Uhr. Katalog (acht Euro) im Museumsshop.

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