Engelbert Humperdinck in Siegburg Eine Stadt und ihr Komponist

SIEGBURG · Engelbert Humperdinck war gebürtiger Siegburger. In welcher Form er heute gewürdigt wird - ein Streifzug. Der Komponist begab sich nach seinem 66. Geburtstag auf die Suche nach den Stätten seiner Jugend.

 Büste von Engelbert Humperdinck im Stadtmuseum - nebst Hänsel und Gretel.

Büste von Engelbert Humperdinck im Stadtmuseum - nebst Hänsel und Gretel.

Foto: Holger Arndt

"Über die Dächer der benachbarten Häuser ragte ein hoher gelbbrauner Bau, in welchem ich sofort die alte Pfarrkirche von Siegburg wiedererkannte. Auch der mächtige, von kühn gewölbter Haube gekrönte Turm fehlte nicht, aber ohne die gradlinige Dachspitze, die übel angebrachte Neuerungssucht später an die Stelle der alten setzte. Weiter unten grüßte das Schulgebäude - mein Geburtshaus!" Der Text ist gut 100 Jahre alt.

Geschrieben wurde er von einem Zeitreisenden. Engelbert Humperdinck erinnert sich in seinem "modernen Traummärchen" mit dem Titel "Die Zeitlose" an seine Kindheit und Jugend in Siegburg zurück. Er hat im Frühjahr einen Schlaganfall erlitten. Im Alter von 66 Jahren reist er nun in seine Geburtsstadt Siegburg zurück. Nicht wirklich, sondern in seiner Erinnerung. Hier besucht er die Stätten seiner Jugend, seine Familie, seine Heimat. Seine fiktive "Transporthilfe" ist die Fee "Zeitlose". Nach ihr benennt er sein "modernes Traummärchen." Sie ermöglicht dem Zeitreisenden den fantastischen Sprung in die eigene Vergangenheit. Dank einer drahtlosen Funkverbindung (!) bittet Humperdinck die "Zeitlose" um "Versetzung nach Siegburg, Marktplatz, Zeit: "1. September 1864". Es ist sein eigener zehnter Geburtstag.

In seinem Todesjahr 1921 bekennt sich Humperdinck noch einmal liebevoll zu Siegburg, literarisch, über 38 Seiten, frei von dem, was er selber als "Opernschnickschnack" bezeichnet. Dass es eine solche emotionale Verbindung zu den Stätten seiner Kindheit gab, ist auch musikalisch nachweisbar. Mit Werken wie den "Glocken von Siegburg" (1879) oder Liedern wie dem "Rheinlied" oder "Am Rhein" besinnt er sich auf seine rheinischen Wurzeln zurück. Gegen Ende seines Lebens plante der Witwer, ins Rheinland (nach Bad Honnef) zurückzukehren.

Humperdinck-Forschung

Wie die Frankfurter Musikwissenschaftlerin Daniela Göbel erst in diesem Jahr entdeckte, beabsichtigte der Witwer auch, noch ein Jahr vor seinem Tod, erneut zu heiraten. Göbel entnahm diese bislang unbekannte Absicht dem Briefwechsel Humperdincks mit seinem Sohn Wolfram. Die Musikwissenschaftlerin hat im vergangenen Jahr eine bislang noch nicht gedruckte Doktorarbeit zu den Musikreferaten Humperdincks vorgelegt. Derzeit erforscht sie in Siegburg unter anderem die Siegburg-Bezüge Humperdincks, darunter auch den Briefwechsel des Sohnes Wolfram Humperdinck, der Regisseur wurde.

Hätte Humperdinck die Fee "Zeitlose" in die Zukunft geschickt, so wäre er dort mit ihr auf vielfältige Spuren seines Wirkens gestoßen. 1989 begründete der damalige Leiter der Engelbert-Humpoerdinck-Musikschule, Jost Nickel, das Humperdinck-Musikfest. Die Stadt schrieb damals erstmalig den Siegburger Kompositionspreis aus, der internationales Ansehen hat. Unlängst traf sich die Komponisten-Szene zur Preisvergabe und Uraufführungen ihrer Werke.

Die Humperdinck-Forschung ist der Stadt ein Anliegen. "Humperdinck ist in Siegburg ein unglaublicher Sympathieträger", so Bürgermeister Franz Huhn. "Und er ist für unsere Stadt auch ein wichtiger Werbeträger."

Spuren in der Stadt

Wo also finden sich Humperdincks Spuren heute in Siegburg? Was macht die Stadt als touristischen Anziehungspunkt für Musiker, Komponisten und Humperdinck-Liebhaber heute attraktiv?

In der Humperdinck-Musikwerkstatt an der Zeughausstraße werden seit 1999 wissenschaftlich fundierte Neu- oder Erstausgaben von Humperdinck-Kompositionen ediert. Werkstattleiter Christian Ubber hat seither das gesamte Liedschaffen Humperdincks in einer fünfbändigen Gesamtausgabe herausgegeben und widmet sich nun dem Instrumentalwerk des Komponisten.

Zusammen mit dem Leiter der Engelbert-Humperdinck-Musikschule, Hans Peter Herkenhöhner, und dem Verein der Humperdinckfreunde Siegburg fördert die Stadt auch mit einem Nachwuchsförderpreis für die beste Interpretation eines Humperdinck-Werkes beim Wettbewerb "Jugend musiziert" auf Landesebene das Interesse an Werkaufführungen Humperdincks.

Auch außerhalb des jährlich stattfindenden Humperdinck-Musikfestes finden hier regelmäßige Konzertabende mit Originalwerken am Humperdinck-Flügel statt. Das Originalinstrument des Komponisten - ein Steingraeber-Flügel aus dem Jahr 1898 - befindet sich im Stadtmuseum, dem Geburtshaus Humperdincks am Markt. Dieses war früher Progymnasium. Humperdincks Vater hatte als Lehrer eine eigene Dienstwohnung.

Erst vor ein paar Monaten machte ein Musikwissenschaftler eine sensationelle Entdeckung. Humperdinck schrieb eine eigene Bearbeitung des Vorspiels zur Wagner-Oper "Tristan und Isolde". Das besitzt 24 bislang unbekannte eigene Takte Humperdincks, die der Musikwissenschaftler als "konzertwirksame Schlussfassung" (gegenüber Wagners Original) entdeckte und vor kurzem der Öffentlichkeit in einer edierten Fassung zugänglich machte.

Humperdinck-Kuchen

Liebe geht bekanntlich auch durch den Magen. Auch als Namensgeber eines Hefe-Rodonkuchens nach einem Rezept aus der Zeit Humperdincks stand der Komponist Pate. Den Siegburger Humperdinck-Bund mit Michaelsrosinen empfiehlt das allererste Siegburger Blatt, das sich 2004 zum 150. Geburtstag Humperdinck mit dem "großen Komponisten aus Siegburg" auseinandersetzte. Sonja Neuenhöfer vom Siegburger Café Bonjour backt den Humperdinck-Rodon gerne als geschmackvolle Erinnerung an Humperdincks Zeit.

Die Ohren spitzen würde Humperdinck sicherlich auch, wenn er einen Rock-Song aus der Feder des Musikschulleiters Herkenhöhner hörte. Der hat nämlich zusammen mit dem Neunkirchener Musiker Detlev Kornath einen Siegburg-Song zur 950-Jahr-Feier der Stadt Siegburg im nächsten Jahr komponiert.

Vorgestellt wird die rockige Liebeserklärung an Siegburg mit dem Titel "Deine Straßen" am 20. Dezember 2013. Beim Weihnachtskonzert der Gruppe "Baroque in blue" stellt Herkenhöhner den Song, der auch Humperdinck-Themen rockig verarbeitet, erstmals der Öffentlichkeit vor. "Für uns ist es eine persönliche Verbeugung vor Siegburg und Humperdinck - zu einem Siegburg-Song, der die emotionalen Plätze, wie den Michaelsberg und die Stadtteile beschreiben will, gehört Engelbert Humperdinck einfach dazu."

Engelbert Humperdinck (1854-1921)

Engelbert Humperdinck wurde am 1. September 1854 in Siegburg geboren, wo er das Progymnasium besuchte. Sein Abitur machte er in Paderborn, absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Bauzeichner in Siegburg, studierte dann in Köln Musik und war Stipendiat an der Königlichen Musikschule München.

Er lebte und wirkte in Frankfurt, Berlin und Boppard. Eine lebenslange Freundschaft begründete Humperdinck als Assistent Richard Wagners 1881/82 in Bayreuth. Seinen kompositorischen Durchbruch hatte er mit seiner Märchenoper "Hänsel und Gretel".

Die Uraufführung trat 1893 in Weimar unter Richard Strauß den Siegeszug um die Welt an - bis heute wird sie an großen Opernhäusern gespielt. Seine übrigen Bühnen- und Orchesterwerke, wie "Königskinder", "Dornröschen" oder "Bübchens Weihnachtstraum", sowie das reichhaltige Liedschaffen treten hinter dem Erfolg von "Hänsel und Gretel" weit zurück. Der Komponist starb am 27. September 1921 in Neustrelitz (Mecklenburg), wo er begraben ist.

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