Eine Parabel über die Qual der freien Wahl

Die Bonner Pathologie stellt zum Weltjugendtag den "Großinquisitor" von Fjodor Dostojewskij vor

  Christoph Pfeiffer  (links) und Thomas Franke bei der szenischen Lesung.

Christoph Pfeiffer (links) und Thomas Franke bei der szenischen Lesung.

Foto: Müller

Bonn. Die Frage mag sich wohl jeder schon einmal gestellt haben: Wie es denn wohl wäre, wenn Jesus Christus auf die Erde zurückkehren würde. Ob die Menschen ihn erkennen und wie sie ihn in ihrer Mitte aufnehmen würden. An der Reaktion der katholischen Kirche hingegen gab es für den russischen Dichter Fjodor Dostojewskij offenbar keine Zweifel.

Die zynische Antwort auf den Atheismus seiner Zeitgenossen findet sich in dem 1880 erschienenen Roman "Die Brüder Karamasow" und der darin enthaltenen Parabel vom "Großinquisitor". Regisseur Reinar Ortmann und die Schauspieler Christoph Pfeiffer und Thomas Franke haben sie für ihr Publikum in der "Pathologie" jetzt - passend zum Weltjugendtag und dem Besuch von Papst Benedikt XVI. - auf ebenso eindringliche wie eindrucksvolle Weise als rund einstündige szenische Lesung umgesetzt.

Der Schauplatz ist Sevilla im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Inquisition. Wo allabendlich die Scheiterhaufen lodern und sich die Gesellschaft zum "Autodafé", der inzwischen schon wie selbstverständlich hingenommenen Verbrennung zahlloser namenloser Ketzer, einfindet. Der wohl gefährlichste unter ihnen tritt dem Großinquisitor - einem 90-jährigen Greis - in einer Gefängniszelle gegenüber. Und wird von ihm bezichtigt, die Gaben Satans wie Brot, Wunder und autoritäre Führung allzu leichtfertig zurückgewiesen und damit die Menschen um einer von ihnen ungeliebten Freiheit willen ins Unglück gestürzt zu haben. Die Kirche selbst werde dieses zweifelhafte Geschenk nunmehr zurücknehmen und die so entstandene Lücke mit ihrer gottgegebenen Autorität füllen.

Dass der Versucher Christi und der Großinquisitor in ihrer Argumentation immer wieder die Rollen tauschen, ist beileibe kein Zufall und raffiniert in Szene gesetzt. Dass Jesus seinen Widersacher zum Abschied küsst und die Inquisiton samt ihrer Untertanen wortlos sich selbst überlässt, lässt den Zuschauer zunächst entsetzt und letztendlich mit der Freiheit zurück, um eine eigene Antwort darauf zu finden.

Karten zu zehn (ermäßigt sieben) Euro unter der Telefonnummer (02 28) 22 23 58.

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