Eine Kathedrale der Technik

Die wahren Werte des neuen Rheinischen Landesmuseums in Bonn liegen im Inneren - Planer Gerhard Bosch verspricht ein "räumliches Erlebnis mit Treppen und Rampen"

Bonn. Die Kunst lauert abholbereit im Meckenheimer Depot. Die wenigen Exponate, die den Weg bereits ins neue Rheinische Landesmuseum gefunden haben, lassen sich an einer Hand abzählen. Der Bau steht gewissermaßen nackt da, vorteilhaft beleuchtet durch ein trickreiches Multifunktionssystem.

Die Gelegenheit könnte nicht günstiger sein, um 15 Wochen vor dem Eröffnungstermin einen Blick auf die Architektur und hinter die Kulissen in die insgesamt sechs Technikzentralen zu werfen, die nötig sind, um den Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten.

Am Mittwoch gaben Gerhard Bosch und Dieter K. Keck von der Architektengruppe Stuttgart, Hausherr Frank Günter Zehnder und Detlef Althoff, beim Landschaftsverband Rheinland zuständig für Liegenschaften und Gebäudemanagement, Auskunft über den Stand der Dinge.

Die Bilanz beginnt freilich mit einem Rückblick, der ohne Übertreibung ins Fach Pleiten, Pech und Pannen gehört. Keine 15 Jahre nach dem Neubau von 1967, der den Altbau von 1909 ergänzt hatte, stellte man bereits erhebliche konzeptionelle und bauliche Mängel fest.

Dann ging alles den amtlichen Gang aller Dinge. Zehn Jahre verflossen bis zu einer "Machbarkeitsstudie". 1992 entschied man sich für das Baukonzept von Knut Lohrer, der einen Solitär mit Durchgang von der Colmant- zur Bachstraße vorsah.

Bis 1994 tüftelte man an der "Haushaltsunterlage Bau". Mitten in die Genehmigungsphase, die bis 1998 dauerte, brach nicht nur ein Direktoren-, sondern auch ein empfindlicher Konzeptionswechsel ins Projekt - und zwang zur kostspieligen Umplanung.

Zehnder, der neue Chef, wollte das chronologische Konzept des Vorgängers nicht übernehmen. Er plädierte vielmehr für ein "Themenmuseum", was bedeutet, dass potenziell jedes Exponat an jeder beliebigen Stelle aufgestellt werden kann (Althoff).

Die Folgen gehen ins Geld: Wenn früher 650 Quadratmeter vollklimatisiert waren, so mussten es jetzt 6 600 sein, hinzu mussten für die zu erwartenden Dachlasten im Gesamtgebäude die Böden verstärkt werden.

Insbesondere der denkmalgeschützte Altbau von 1909 erwies sich als unkalkulierbares Risiko. Stahlträger mussten eingezogen, Betondecken eingebaut werden.

Und als man daranging, die zweistöckige Tiefgarage zu bauen, bröckelten die alten Fundamente weg. Im so genannten "Pilgerschrittverfahren" wurde in sechsmonatiger Arbeit (Kosten: 1,5 Millionen Euro) der Schaden behoben.

"Hinzu kommen etliche Insolvenzen, über die zu Reden, den Rahmen sprengen würde", sagte Althoff am Mittwoch (drei Insolvenzen waren es allein im April 2003).

Ein neues Problem tat erst sich am Mittwoch auf: Die Firma "Creamuse", zuständig für die Innenkonzeption des Hauses, steht, so die "krisenerprobte" LVR-Pressesprecherin Birgit Karg, "vor der Insolvenz". Aber: "Das wirft uns jetzt nicht mehr um."

Ebensowenig wie Detlef Althoff die Finanzen: Die reinen Baukosten, die sich in dem "bei 152 Millionen DM" gedeckelten Gesamtprojekt verbergen, "liegen mit 3 780 Mark pro Quadratmeter im unteren Bereich".

Von den Mühen der Vergangenheit merkt man heute nicht mehr viel. Man sieht von außen sowieso nicht viel, da grobes Lerchenholz den Blick in den Glaskubus verwehrt. Verschlossen steht er an der Colmantstraße. Sehr spannend ist das nicht. Aber das ändert sich.

Denn die Häuslebauer aus Stuttgart haben eher an die inneren Werte gedacht. Mehr als einmal nimmt der Planer Bosch das Wort "Erlebnis" in den Mund. Dazu gehört der nur vier Meter tiefe Spielraum zwischen Holz- und Glasfassade gleich zu Beginn, der den Besucher zum Blick nach oben animiert.

Dann folgt sofort das eher in die Horizontale entwickelte, etwas geduckte Foyer mit Cafeteria, Kasse und Buchshop. Schließlich öffnet sich der Raum zu einer großen Halle.

Den Besucher erwartet dort ein "räumliches Erlebnis durch Treppen und Rampen" (Bosch), die nicht nur helfen sollen, die erwarteten 2 000 bis 2 500 Besucher täglich zu kanalisieren, sondern ein ästhetisch attraktives Element und Orientierungsmittel zugleich sein sollen.

Ähnliches gilt für die Blickachsen, die sehr großzügig durch den Raum gelegt wurden und die die in Ansätzen spürbaren Brüche zwischen Alt- und Neubau überbrücken. Sehr harmonisch werden die Räume der fünfschiffigen Anlage entwickelt, ein nobler Eichenton, ansonsten Sichtbeton beruhigen das Auge (Bunt-Exzesse in einigen Ausstellungsräumen sollten mit einem Eimer neutraler Farbe aus der Welt geschafft werden).

Etwas kleinkariert geriet der Milchglashimmel, schnödes Kunstgewerbe schleicht sich hier ins klare Konzept.

Die wahre Kunst aber steckt hinter den Kulissen. Nur ein Drittel kleiner als die gesamte Ausstellungsfläche ist der technische Raum - "eine Kathedrale der Technik" (Zehnder) - bemessen, der für Luft- und Klimatechnik sorgt.

Wobei dank exzellenter Dämmung der Museumsräume eher die Kühlung als die Heizung ein Problem ist. Selbst im tiefen Winter müsse der Bau auf die erforderlichen 22 Grad (bei 55 Prozent Luftfeuchte) heruntergekühlt werden, meint der unter anderem für diesen Bereich zuständige Dieter K. Keck.

Das geschieht mittels Kühlschlangen in den Außenwänden und einer Absorptionskältemaschine im Keller, die, vergleichbar mit einem Campingkühlschrank, Kälte mittels Wärme erzeugt. Das System spart - wie die gesamte Lichtregie - nicht nur Energie und ist ökologisch wertvoll, es schmeichelt auch den Augen.

Lediglich feine Schlitze in Boden und Decke sorgen für den Klimatausch, das Licht kommt dezent verpackt und minutiös gesteuert von oben.

Das Gehäuse des Landsmuseums ist trotz einiger Schwächen viel versprechend, jetzt kommt es auf den Inhalt an.

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