Eine Horrornacht, wie in Trance erzählt

Jacques Probsts "Aldjia" im Euro Theater in Bonner Innenstadt

Bonn. Eine aufgeschlagene Bibel, ein Hackklotz mit Messer, Beil und Säge, ein Tisch und etliche (nicht geleerte) Whiskygläser - die Bühne für die szenische Lesung von "Aldjia ou la femme divisée" im Euro Theater Central deutet den alttestamentarischen Schrecken an.

Es geht um die grausame Geschichte im Buch der Richter 19/20: Ein Ehepaar findet auf einer Reise Unterschlupf bei einem alten Mann in Gibea. Eine Horde von 500 Männern fordert die Herausgabe des Gastes.

Der alte Mann bietet ihnen vergeblich seine zwölfjährige Tochter an. Der Ehemann liefert ihnen seine Frau aus, die eine ganze Nacht lang misshandelt und vergewaltigt wird und am nächsten Morgen tot auf der Schwelle des Hauses liegt.

Der Mann nimmt die Leiche mit in sein Heimatdorf, zerstückelt sie und schickt die halbverwesten Teile zu den befreundeten Stämmen, die darauf hin für die Verletzung der Gastfreundschaft furchtbare Rache nehmen und Gibea dem Erdboden gleich machen. Das weibliche Opfer bleibt anonym wie so viele Frauen in der Bibel.

Darauf verwies die Schweizer Regisseurin Marianne du Pury in ihrem kurzen Einführungsvortrag. Der Schweizer Autor und Schauspieler Jacques Probst hat einer dieser Frauen einen Namen gegeben und seinen Text der Genfer Schauspielerin Laurence Montandon auf den Leib geschrieben.

Aldjia heißt die geschundene und zerteilte Frau, die Probst dialogisch aufspaltet, aber immer wieder in eine monologische Identität zurückführt. Laurence Montandon wechselt sehr präzise die Perspektiven.

Die wie in Trance fast tonlos erzählte Horrornacht geht unter die Haut, weil es ein immer noch denkendes und empfindendes "Ich" war, dessen Körper der brutalen, animalisch rohen Meute schutzlos preisgegeben wurde.

Schade, dass das Gastspiel nur wenige Zuschauer angelockt hatte.

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