Eindrucksvolle Musik und Literatur aus jüdischer Volkspoesie
Cantando-parlando-Reihe widmet dem 60. Jahrestag der Auschwitzbefreiung einen Abend im Haus Menden
Sankt Augustin. Mit "singenden und sprechenden" Beiträgen - also "cantando-parlando" - richtet sich in Sankt Augustin seit einem Jahr eine gleichnamige Reihe an ein musik- und literaturinteressiertes Publikum. Zum 60. Jahrestag der Auschwitzbefreiung hatte Organisator Krafft-Aretin Eggert am Donnerstag ins Haus Menden geladen.
Für diesen "grundsätzlich problematischen Tag" hatte er den 1955 uraufgeführten Liederzyklus op. 79 von Dimitrij Schostakowitsch aufs Programm gesetzt. "Kurzgeschichten aus dem Städele" - Literatur aus jüdischen Gemeinden in Russland - von Mendele Moicher Sforim, Scholem Alejchem und Itzchok Leib Perentz ergänzten den musikalischen Teil des Abends.
Georg Schwikart, literarischer Leiter der Reihe, las die unspektakulären, aber mit großer Freude am Erzählen geschriebenen Kurzgeschichten. "Der Vorspruch des Mendele" von Sforim ist zunächst sicherlich eine "kleine Geduldsprobe" für den Zuhörer, doch nach einer Weile wird die Lust an der Schilderung jüdischer Bräuche, Lebensauffassungen und Betrachtungsweisen deutlich und der Zuhörer beginnt zu begreifen, dass hier der Weg das Ziel ist.
Erstaunlich dann, wie gut sich diese Texte voller poetischer Sichtweisen mit der jüdischen Volkspoesie vereinbaren, die Dimitrij Schostakowitsch als Vorlage für seinen Liederzyklus "Is jewreiskoi narodnoi poesii" (Aus jüdischer Volkspoesie) dienten. Schostakowitschs Liederzyklus ist alles andere als folkoristisch. Seine Lieder stehen mit all ihrer Schlichtheit in der Klavierbegleitung dem Kunstlied weitaus näher als dem Volkslied.
Mit ergreifender Schlichtheit und emotionaler Nachdrücklichkeit gestaltet sich hier auch die Melodik. So etwa in der "Klage über den Tod eines kleinen Kindes" oder dem fast monotonen "Wiegenlied", das in seiner geringen Motorik voller Melancholie und Trauer über den nach Sibirien in Ketten fortgebrachten Kindsvater steckt.
Drei Studenten der Folkwang-Hochschule Sarah Dirkes (Sopran), Sina Weidlich (Alt) und Arno Bovensmann (Tenor) gestalteten die Sololieder und Duette Schostakowitschs überzeugend und mit stimmlichem Können.
Dominikus Burghardt, der unter anderem als Lehrbeauftragter an der Essener Folkwang-Hochschule tätig ist, begleitete sie auf dem Klavier. Der Pianist, der in Augustin auch für die künstlerische Leitung der Reihe cantando-parlando verantwortlich zeichnet, spielte mit großem Einfühlungsvermögen und stellte sich ganz unter das Postulat dieser Texte voller menschlicher Wärme.