Rekonstruktion des Gesichts vom Herrn von Morken Ein Mann in den besten Jahren

In Kriminalfällen ist es nicht selten so, dass die Forensiker, insbesondere Gerichtsmediziner den entscheidenden Hinweis zur Lösung bringen.

 "Kerniger Typ": Constanze Niess neben dem rekonstruierten Gesicht, im rechten Bild das Schädelfragment des Herrn von Morken.

"Kerniger Typ": Constanze Niess neben dem rekonstruierten Gesicht, im rechten Bild das Schädelfragment des Herrn von Morken.

Foto: Fischer

Im aktuellen Fall - so eine Art "CSI Bonn" - hat die Frankfurter Rechtsmedizinerin Constanze Niess das I-Tüpfelchen zu einer spektakulären Rekonstruktion gelegt, einer Ermittlung, die dem vor 1400 Jahren im heutigen Bedburg-Königshoven, 45 Kilometer westlich von Köln gestorbenen Rheinländer, dem adligen Herrn von Morken aus der Merowingerzeit galt. Ein interdisziplinäres Team aus Archäologen, Anthropologen und Forensikern hatte sich auf die Spur des vor 60 Jahren auf dem Kirchberg von Morken gefundenen, einst in einer Eichenholzkammer mitsamt Waffen, Essen und Haushaltsgerät bestatteten reichen Kriegers gesetzt.

Constanze Niess, die vor vier Jahren noch vornehmlich unbekannten Schädeln ein Gesicht gab, um zur kriminaltechnischen Identifizierung beizutragen, hat nun in 60-stündiger Arbeit das Antlitz des Herrn von Morken rekonstruiert, wie sie vorher schon dem Neandertaler und dem Paar aus dem Oberkasseler Doppelgrab im Auftrag des LVR-Landesmuseums Bonn individuelle Züge verliehen hatte. Gestern stellten sie und das Morken-Team ihre Ergebnisse vor.

Der Ausgangspunkt für die Rekonstruktion war ein Schädelfragment, immerhin Stirn, Augen- und Nasenpartie sowie beide vollständigen Kiefer: Für Niess genug , um die Physiognomie des wohl im Alter von rund 45 Jahren gestorbenen Kriegers nachzubilden. Eine Art 3-D-Druck des Schädels aus Kunstharz war die Basis, Augenwülste, Jochbeine und Nasenpartie boten Anhaltspunkte für die Gesichtsform, sogar eine leicht nach oben gerichtete "Himmelschmeckernase" mit einer Delle ließ sich rekonstruieren.

Bei der Augen- und Haarfarbe sowie bei der Frisur und dem Dreitagebart war die Medizinerin auf Spekulationen angewiesen, versuchte sich aber durch Erfahrungswerte der Anthropologen abzusichern. Der Herr von Morken erscheint nun als "kerniger Typ" (Niess) mit gesunden Zähnen und muskulösem Hals.

Unterm Scheitel hat er eine "gut verheilte" Wunde, wie Christian Meyer, Anthropologe aus Halle, am Originalschädel ermittelte: Im Kampf Mann gegen Mann mus ihm der Gegner sein Schwert über den Schädel gezogen haben, was nicht tödlich war, aber deutliche Spuren hinterließ. Herr von Morken war offenbar recht aktiv, wie die Schrammen und Beulen am prächtigen byzantinischen Helm zeigen, der im Grab gefunden wurde. Dass der 45-Jährige phasenweise unter Stress litt, liest Mayer aus Strukturen in den Augenhöhlen ab. Ansonsten war er stark und gesund, muss etwa 1,80 Meter groß gewesen sein.

Durch einen weiteren spektakulären Fund unweit des Morken-Grabes - 30 Jahre später entdeckte man 400 Meter westlich einen vollständigen Ortsfriedhof - bot sich ein "einmaliges Ensemble", wie Elke Nieveler, im Landesmuseum Wissenschaftliche Referentin für Frühmittelalter, sagt. "Das ist die erste und bislang einzige Chance, einen sozialen Vergleich zwischen Adel und Bevölkerung zu ziehen", meint Nieveler, ein großes Glück zudem, denn die Ausgräber hatten die Braunkohlebagger im Nacken.

Die Archäologen verglichen die Grabbeigaben des Herrn von Morken mit denen der 500 benachbarten Gräber. Zwischen den gutgestellten Bürgern und dem Adeligen, der wahrscheinlich ein königlicher Verwalter war, gab es keine materiellen Unterschiede. Der Herr von Morken war nicht reicher als die Spitzen der übrigen Bevölkerung.

Aber er hatte ein Händchen für erstklassige Accessoires. "Alles Top-Qualität", sagt Nieveler, zumal er einen byzantinischen Offiziershelm und einen skandinavischen Schild besaß, sich in mediterrane Baumwolle kleidete und eine byzantinische Goldmünze im Mund hatte - eine sogenannte Charonsmünze, Lohn des Fährmanns Charon für die Überfahrt der Toten in den Hades.

Einen deutlichen Unterschied gab es aber zwischen dem Adel und dem Volk, wie Corinna Knipper vom Mannheimer Zentrum für Archäometrie bei Isotopenuntersuchungen der Zähne herausfand: Der Herr von Morken hatte mehr horchwertige Nahrung, mehr Fleisch und Fisch auf dem Speisezettel als der Rest der Bevölkerung.

Das spannende Kapitel über den Herrn von Morken und seine Umwelt ist nun Teil der Dauerausstellung im Landesmuseum.

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