Talententdecker Siggi Loch feiert 75. Geburtstag Ein Leben für den Jazz

Wenn das Leben als Fan mit einem Autogramm des legendären Jazz-Saxofonisten Sidney Bechet beginnt, kann eigentlich nichts schiefgehen. Siegfried "Siggi" Loch war 15, als er sich in Hannover in das Konzert eingeschlichen hatte, die Unterschrift ergatterte, es dann mit einem Porträt Bechets veredelte und dabei seiner zweiten Leidenschaft, der Kunst, frönte.

 Siggi Loch (rechts) in Bonn: Mit dem Gitarristen Nguyên Lê (links) und dem Maler Martin Noël in dessen Atelier im Jahr 1996.

Siggi Loch (rechts) in Bonn: Mit dem Gitarristen Nguyên Lê (links) und dem Maler Martin Noël in dessen Atelier im Jahr 1996.

Foto: Werner Siess/ACT

60 Jahre später lässt Loch sich als einer der großen Musikproduzenten Deutschlands feiern, als Chef des hierzulande bedeutendsten Jazz-Labels ACT.

Heute wird er 75 und blickt auf eine atemlose Karriere zurück, in deren Verlauf er mit Schlagersängern wie Jürgen Drews ("Ein Bett im Kornfeld") gleichermaßen zu tun hatte wie mit den Rolling Stones, Led Zeppelin oder AC/DC. "Ich konnte mit Rockmusikern umgehen", sagte er gerade in einem Interview, "doch die Eleganz eines Jazzers wie Miles Davis war mir näher." Den Lebenstraum eines eigenen Jazz-Labels erfüllte sich Loch allerdings erst als 52-Jähriger - zu Zeiten, als das Credo lautete: "There's no money in Jazz", mit Jazz kann man kein Geld machen.

Das hatte der im polnischen Slupsk (ehemals Stolp in Pommern) geborene frühere Amateurschlagzeuger der "Red Onions" als EMI-Vertreter, Produzent bei Philips, Gründer des Labels WEA (Warner-Elektra-Atlantic), der späteren Warner Music Germany, deren Europa-Präsident er zuletzt war, schon vorher gemacht.

Loch hat den Saxofonisten und Komponisten Klaus Doldinger zu einer Zeit entdeckt, als quasi nebenan die Beatles im Hamburger Star-Club spielten. Er gilt auch als der Förderer, Entdecker und Mentor von Katja Ebstein. Er hat Marius Müller-Westernhagen groß gemacht, ebenfalls die Krautrocker Amon Düül II, Heinz Rudolf Kunze, Helen Schneider und die Gruppe Ideal.

Mit Joachim Kühn und Doldinger, Al Jarreau und Philip Catherine näherte sich Loch dem Jazz an, 1992 gründete er das Label ACT. Man nennt den mit Preisen überschütteten Produzenten inzwischen "The ACT Man". Wer seine Alben kennt, sprich, sie von außen ansieht, erfasst auch seine künstlerische Ader. Loch sammelt Bruce Nauman und Gerhard Richter, Andy Warhol und Katarina Grosse. Den ersten Richter erwarb es 1970 für 15 000 Mark. Als er Richters "Vierwaldstätter See" verkaufte, bekam er 3,2 Millionen Euro - und kaufte sich davon ein Haus. Viele seiner Bilder und Werke seiner Künstler, darunter auch des Bonners Martin Noël, finden sich auf den CD-Covers. Nur ein bunter Klecks ziert die fünfteilige CD-Box, die heute zu seinem 75. erscheint.

Ein großer Bogen mit Aufnahmen aus über einem halben Jahrhundert, gewissermaßen der Produzenten-Fingerabdruck von Siggi Loch. Doldingers "Blues For George" ist auf der ersten CD "The Beginning" ebenso zu hören wie "Summertime" mit Johnny Griffin. Bei "Blues & Rock" bekommt John Lee Hooker seinen Auftritt und darf Olaf Kübler "Nights In White Satin" und "It's Only Rock'n'Roll" von den Stones verschandeln. "Crossing Borders", die dritte CD, versammelt etwa Größen wie den Flamenco-Gitarristen Gerardo Núñez und Al Di Meola, der Tangos von Vince Mendoza spielt. Nils Landgren, Lochs Superstar, Esbjörn Svensson und Michael Wollny haben ihren großen Auftritt auf der CD "Visions Of Jazz". Das großartige Finale dieser außergewöhnlichen Box heißt "Jazz At Berlin Philharmonic" und bringt alle Stars von "The ACT Man" auf die Bühne. Ein Ereignis.

The ACT Man. A Life in the Spirit of Jazz. 75 Siggi Loch. Jubiläumsbox mit fünf CDs, ACT

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