Wallraf-Richartz-Museum in Köln Ein Bild sucht die Nähe zur Macht

Köln · Weit gereist und viel erlebt, das beschreibt den venezianischen Diplomaten Paolo Tiepolo (1523 -1585). Nun hat sein von Tintoretto gemaltes lebensgroßes Sitzporträt eine neue Heimat im Wallraf gefunden. Zum Willkomm wurde ihm eine kleine Sonderschau eingerichtet, ein (noch unbekannter) "Kollege" auf einem ähnlichen Porträt von Tintoretto wurde eigens aus Tokyo eingeflogen.

Die Lebensgeschichte des Paolo Tiepolo ist ebenso spannend wie die weitere Geschichte des Bildes im Laufe der Jahrhunderte.

Da dem Mann mit den klugen wachen Augen die typische Dogenbekrönung fehlt, musste das in der Fachliteratur relativ unbekannte Bildnis in Stilvergleichen und historischen Dokumenten erforscht werden.

Für die Datierung konnte der Experte Roland Krischel die Landschaftskulisse der Engelsburg mit dem neu gebauten Festungsgürtel hinzuziehen. Die flockige, fast impressionistisch wirkende Landschaft könne vielleicht von Tintorettos Tochter Marietta gemalt worden sein.

Doch wer ist der vornehme Mann? Kein Name, kein Wappen, aber die Romkulisse deute auf diplomatische Dienste in Rom, die Tiepolo (nicht mit dem bekannten Maler verwandt) neben den großen Zentren in Paris, Wien und Madrid auch in den Vatikan führten.

Für einen venezianischen Würdenträger spricht der rotbraune kostbare Mantel aus Seidenbrokat mit Hermelinbesatz, der in Venedig den berühmten Adelsgeschlechtern vorbehalten war.

Das Tintoretto-Bild scheint sich, sagt Krischel, immer "in seltsamer Weise in der Nähe der Macht" befunden zu haben. Zunächst hing es im Dogenpalast, bis es Ende des 19. Jahrhunderts zu Christie's kam. Von dort wanderte es in den Besitz hochrangiger britischer Politiker.

1939 wurde es wiederum versteigert und nach Italien reimportiert. 1941 wurde es für das Hitlermuseum in Linz für 500 000 Lire erworben. Nach dem Krieg ging es in den Besitz der Bundesrepublik über. 1967 befand es sich im Büro von Kanzler Georg Kiesinger, anschließend von Willy Brandt.

Ganz neu hat nun Herlinde Koelbl noch einmal Egon Bahr (einst vor dem Porträt im Spiegel zu sehen) für die Ausstellung fotografiert als augenzwinkernden Abschluss einer Bildreise durch die Jahrhunderte.

Wie die Werke von Tizian und Tintoretto auf Holzschnitten und Kupferstichen in Schwarz-Weiß- Blätter übertragen wurden, zeigt eine ebenfalls neue Ausstellung im Grafischen Kabinett gleich dahinter im Wallraf.

Begehrt waren solche gut transportablen kleinen "Repros", die weite Verbreitung fanden. Kupferstecher wie der talentierte Cornelis Cort arbeiteten für Tizian oder Agostino Carracci für Tintoretto. Mit an- und abschwellenden feinen Linien ließen sich die Figuren wie mit Ölfarben modellieren.

Wallraf-Richartz-Museum/ Fondation Corboud, Tintoretto-Bild und Ausstellung bis 15. 9., Grafikkabinett bis 28.7.

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