von Donnersmarck stellt Buch in Bundeskunsthalle vor Ein anderer Blick auf die Welt
Bonn · Eigentlich geht es um "Joy". Freude im Sinne von C.S. Lewis, ein Gefühl, zu gleichen Teilen Sehnsucht und Glückseligkeit. Dies im Zuschauer auszulösen ist für Florian Henckel von Donnersmarck eine der Kernaufgaben des Kinos.
Der Regisseur von "Das Leben der Anderen" und "The Tourist", der derzeit anlässlich einer Lesereise mit seinem gerade erst erschienenen Buch "Kino" in Deutschland weilt, um es unter anderem am Sonntag in der Bundeskunsthalle vorzustellen, und sich trotz eines vollen Terminplans für das ein oder andere Interview Zeit nimmt, spricht mit ungeheurer Leidenschaft über seine Philosophie des Films. Über Herzblut, Energie, Wahrhaftigkeit. "Ich habe es aufzugeben, das ganze Medium zu lieben", sagt er. "Das ist genau so wie ein Mann, der behauptet, alle Frauen zu lieben und damit keine richtig liebt. Filme sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie machen. Ich liebe Filme, in denen sich der Regisseur persönlich ausdrückt. Und durch die manchmal ein Funken seiner ,Joy' überspringt."
Donnersmarcks Buch soll die Grundlagen seines eigenen "Joy"-Gefühls vermitteln. "Es fehlt in meinen Augen an ästhetischer Bildung im Bereich Film, am Nachdenken über die bewegten Bilder", sagt er. Man könne mehr von einem Meisterwerk verlangen als bloße Unterhaltung. Seine Essays sollen zeigen, wie genau das geschehen kann, ohne sich dabei in akademischen Erörterungen zu verlieren. "Wenn mir ein Schauspieler einen wahren Moment bietet, geht mir das Herz auf, als Regisseur wie als Zuschauer", erklärt er.
Oder wenn die Geschichte einen in ihren Bann schlägt. Welche Art Filme ihn am meisten berühren? "Zum Beispiel Zeitreise-Filme wie ,Lola rennt', ,Zurück in die Zukunft' oder ,Und täglich grüßt das Murmeltier', weil ich den Gedanken endlos faszinierend finde, jeden Fehler, den man gemacht hat, wieder ausbügeln zu können. Und dann sind da Filme, die einem einen anderen Blick auf die Welt gewähren, etwa ,The Truman Show' oder ,Der talentierte Mister Ripley'. Oder haben Sie mal Krzysztof Kieslowskis ,Ein kurzer Film über die Liebe' gesehen? Das sind Filme, die einen daran erinnern, wie unendlich komplex und reich das Innenleben jedes einzelnen Menschen ist."
Um derartige Werke zu schaffen, bedarf es aber bestimmter Produktionsbedingungen. "Für mich steht die kreative Freiheit über allem", erklärt Donnersmarck. Der berühmte Glamour Hollywoods spielt dagegen eine untergeordnete Rolle. "Ich habe ,The Tourist' als Experiment gesehen, in dem man sich ganz auf diese Pracht verlässt", sagt er. "Aber eigentlich interessieren mich eher Geschichten und Charakter-Zeichnungen. Die kann man auch in Europa kreieren. Die richtigen Produktionsbedingungen und die kreative Freiheit unter einen Hut zu bringen - das ist immer das Ziel. Denn nur so hat das Filmemachen für mich einen Sinn." Denn einer der Gründe für das Abwandern großer Regisseure wie Tom Tykwer, Wim Wenders, Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich sei die Verfügbarkeit von mehr kostspieligen Drehtagen und damit mehr Möglichkeiten, sich auszudrücken und auszuprobieren. Nur dadurch könnten Hollywood-Produktionen so locker und leicht wirken.
"Genügend Zeit für den Dreh zu haben ist das Wichtigste. Stanley Kubrick hat oft recht reduzierte Filme gedreht, dafür aber mit Schauspielern gearbeitet, die ihm ein ganzes Jahr Zeit geschenkt haben, damit er alles richtig machen kann. Diese Sehnsucht, dieser Glaube an die Perfektion war bei Kubrick kein Fluch, sondern ein Geschenk." Die auch angesichts der Veränderungen Bestand hat, die Donnersmarck in den kommenden Jahren im Fernseh- und Kino-Bereich erwartet. "Ich hoffe, dass uns das große Format und die großen Bilder erhalten bleiben. Für mich sind sie Teil der Ausdrucksform." Großes Kino eben.
Lesung in der Bundeskunsthalle am Sonntag, 22. März, 19 Uhr. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen