Eifelfestival Rock am Ring begeistert 80 000 Fans

An den drei Tagen ist für fast alle Musikgeschmäcker etwas dabei

Eifelfestival Rock am Ring begeistert 80 000 Fans
Foto: Horst Müller

Nürburgring. Diese Welt ist alles andere als fair. Während sich Label-Chefs jammernd die Haare raufen, reiben sich Konzertveranstalter die Hände. Ist ja logisch. Wo Musik umsonst aus dem Netz gesaugt wird, bleiben mehr Euros im Portemonnaie, um die Lieblingsbands live und in Farbe anzuhimmeln.

Das Eifelfestival Rock am Ring beweist diese monetäre Umverteilung - und zwar jedes Jahr eindrucksvoller. Soll heißen: Die 80 000 Karten waren diesmal noch schneller vergriffen als beim letzten Mal.

Die Taktik von Marek Lieberberg ist einfach gewieft. Dem Veranstalter des Festivals gelingt es nämlich, an drei Tagen auf drei Bühnen fast alle Musikgeschmäcker zu bedienen. Zum Beispiel am Festival-Freitag:

Während die Metalbands Korn, Papa Roach und Marilyn Manson auf der "Alternastage" vor überwiegend schwarz angezogenen Fans lärmen, fährt die ungestüme britische Popband Razorlight auf der Hauptbühne das musikalische und optische Gegenprogramm.

Weitere Berichte Lesen Sie dazu auch " Rock am Ring: "Woodstock-Gefühl" mit Regen"Sogar ein Strauß roter Rosen liegt hier - ganz romantisch - auf dem altmodischen Klavier. Zuvor hat sich die nach zehn Jahren Pause endlich wiedervereinte deutsche Band Selig auf ebendieser Bühne sogar einen Orientteppich ausgerollt. Hippies eben. Die Zeit ist auch an diesen fünf Deutschrockern nicht spurlos vorübergegangen.

Die riesigen Bildschirme verraten jedes Fältchen im Gesicht. Der ausgelassen tanzende Frontmann Jan Plewka hat sich sein schütteres Haupt rasiert. Steht ihm aber gut. Und das Wichtigste:

Musikalisch klingt alles so, wie es früher geklungen hat - atmosphärisch, orgel- und gitarrenlastig. Die Stimme Plewkas ist nach wie vor charismatisch brüchig. Vom neuen Album "Und Endlich Unendlich" stellt das Quintett in der Eifel nur drei Lieder vor. Die Band reiht lieber einen alten Hit an den nächsten.

Das macht allen Spaß. Obwohl mindestens die Hälfte des Publikums in den neunziger Jahren noch die Grundschulbank gedrückt haben dürfte, bricht Jubel aus, als Gitarrist Christian Neander die Ballade "Ohne dich" eröffnet. "Guckt mal, wir haben euch die Sonne mitgebracht", ruft Plewka übermütig.

Nach ihrem kurzen, schüchternen Gastspiel verschwindet die Sonne dann wieder. Sie wird sich auch in den nächsten zwei Tagen nicht mehr gegen die dicken grauen Wolken durchsetzen können. Dafür zieht Wind über das riesige Festivalgelände.

Der 22-jährige Schlagzeuger des britischen Trios Placebo lässt sich von der Kälte nicht beeindrucken. Er trommelt oben ohne. Der kleingewachsene Placebo-Sänger und Gitarrist Brian Molko gießt ein Füllhorn an Hits ("Every you and every me") über der tobenden Menge aus.

Im Vergleich zu diesem energiegeladenen Auftritt mit seinen drei glamourös auftretenden Protagonisten sind The Killers eine kleine Enttäuschung. Die Amerikaner beschließen den ersten Festivalabend auf der Hauptbühne. Sicher, "Somebody told me" geht in die Beine. Doch von einer knappen Handvoll großer Songs abgesehen, bleiben die Musik und der manchmal an Freddie Mercury erinnernde Gesang von Brandon Flowers eher eintönig.

Etablierte Größen gibt es bei Rock am Ring genug. Im Musikzelt warten aber auch einige Geheimtipps darauf, entdeckt zu werden: zum Beispiel die Londoner Geschwisterband Kitty, Daisy and Lewis.

Mit ihren Haartollen und eleganten Outfits sehen sie aus, als wären sie einem Film aus den fünfziger Jahren entsprungen. Blues-Klassiker à la "I've got my mojo working" covern diese Geschwister im Rockabilly-Stil, und zwar derart professionell, als stünden sie schon seit zwanzig Jahren auf der Bühne. Dabei sind sie gerade einmal 15, 17 und 18 Jahre alt.

Beeindruckend. Am zweiten Festivaltag wechseln Pop- und Metal-Fans die Seiten: Während Machine Head und die maskierten Musiker von Slipknot sich auf der "Centerstage" an musikalischer Härte überbieten, eröffnen die Ska-Urgesteine Madness mit "One step beyond" vor der kleineren Bühne eine ausgelassene Tanzstunde.

Die Briten sind in diesem Jahr die ältesten Musiker bei Rock am Ring. Mit der Reggae-Nummer "Out of space" senden die sechs Männer einen musikalischen Gruß an ihre britischen Kollegen von The Prodigy, die wenig später eine buchstäblich wahnsinnige Show auffahren werden - und dabei ausgerechnet ihren ersten großen Hit "Out of space" auslassen. Mit weiß geschminkten Gesichtern zappeln und zucken die Sänger zum Rhythmus ihrer schnellen und mächtigen Beats.

Der Rapper Jan Delay im eleganten schwarzen Anzug und seine mit drei Bläsern und drei Soulsängerinnen bestückte Band "Disco No. 1" treiben das Tanzfieber in der Nacht mit Funk und HipHop noch weiter nach oben.

Am Festivalsonntag feiert eine weitere deutsche Band ihre Wiedervereinigung nach fünf Jahren Funkstille: Die Guano Apes melden sich lautstark rockend zurück. Deutschlands derzeit beliebtester Solokünstler Peter Fox darf das Eifelfest beschließen. Sein Konzert soll eine schweißtreibende Katharsis werden:

Ein letztes Mal feiern zehntausende Menschen zu Party-Hymnen ("Schüttel deinen Speck"). Nach dem letzten Ton rücken Schule, Beruf und Alltag wieder in greifbare Nähe - zum Glück aber auch die Planungen für das Festival Rock am Ring 2010.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort