Kunstmuseum Bonn "Dunkles Licht" nennt sich die faszinierende Schau des Spaniers Juan Uslé

BONN · Wenn es Nacht wird über New York oder im Örtchen Saro, 24 Kilometer südlich von Juan Uslés Geburtsstadt Santander in Nordspanien, zieht sich der Maler zurück, hört auf die Stille und seinen Herzschlag, beginnt wie in einem Akt der Meditation damit, mit breitem Pinsel Farbbahnen zu ziehen.

 Der Maler Juan Uslé vor der Nummer XV (2002) des Zyklus "Soñé que revelabas".

Der Maler Juan Uslé vor der Nummer XV (2002) des Zyklus "Soñé que revelabas".

Foto: Franz Fischer

Uslé setzt an, zieht eine kurze Spur, setzt den Pinsel ab, setzt nach dem nächsten Herzschlag wieder an. Und so weiter. Bahn um Bahn zieht der Spanier dieses Exerzitium durch, Meditation geht einher mit dem monotonen Ritual des Malens, das wie ein eigenwilliges Kardiogramm anmutet - und je nach Stimmungsschwankung und Befindlichkeit ein unterschiedliches Schriftmuster bietet.

1997 entstand die Nummer eins dieser meist düsteren und doch durch ihre Textur leicht und bewegt wirkenden Gemälde aus der Reihe "Soñé que revelabas", was sich als "Ich träumte, dass du erscheinst" übersetzen lässt. Wobei das Wort "revelar" auch in der Fotografie gebräuchlich ist und sich da auf das Entwickeln in der Dunkelkammer bezieht.

In einem wunderbaren Dialog mit dem Dichter John Yau verriet Uslé seine Faszination für die Fotografie und den Zauber, wie das Bild allmählich im Entwicklerbad aufscheint. Der Maler als Alchemist. Während bei Uslés großem Landsmann Goya die Nacht die Zeit ist, in der der Schlaf der Vernunft Ungeheuer gebiert, wie ein berühmter Zyklus heißt, Albträume und Ängste sich des wehrlosen Menschen bemächtigen, sorgt bei Uslé die Dunkelheit für Sammlung, Konzentration, Reinigung des Geistes. Eine Befreiung von der alltäglichen Reiz- und Bilderflut.

"Ich male immer, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Kopf voll ist", erzählt Uslé im Kunstmuseum Bonn, "dann ziehe ich mich zurück." 1997 begann er in New York damit. Mittlerweile hat er 50 Werke für den Zyklus "Soñé que revelabas" gemalt, von denen jedes 2,74 mal 2,03 Meter misst. "In manchem Jahr entstand nur eines, in manchem drei oder vier Gemälde", sagt er. 32 Werke dieser faszinierenden, meist dunklen, in Grau, Schwarz und Erdtönen gehaltenen Serie sind in Bonn zu sehen, "Dunkles Licht" heißt diese herausragende Schau, die an große Bonner Malerei-Ausstellungen der Vergangenheit mit internationalen Gästen à la Robert Ryman, David Reed und Philip Guston anknüpft. Dass Uslés eher introvertierte, im Kolorit düster wie das Farbambiente des spirituellen Meisters Zurbarán anmutende und existenzielle Innenwelten beleuchtende Schau "Dunkles Licht" ausgerechnet am Vorabend zu Weiberfastnacht eröffnet wird, mutet wie ein Kommentar an. Uslé erscheint als Büßer im Karneval.

Ein Bild, das dem eher fröhlichen, munter gestikulierenden Spanier, der im Dezember dieses Jahres 60 wird, eigentlich nicht gerecht wird. Denn Uslé vermag die Reduktion auf eine mehr oder weniger düstere Skala und das Korsett einer schier unglaublichen Disziplin beim Malen als Ausgangspunkt für ungeahnte Vitalität und beachtlichen Variantenreichtum zu begreifen. "Ich wollte seit 1997 eigentlich immer wieder das gleiche Bild malen", sagt er in Bonn, "und bin schon beim zweiten dabei gescheitert." So gibt es feinste Texturen neben Schwarzfeldern, die abzusaufen drohen, öffnen sich weiße Zonen und stellen sich bizarre Zickzack-Muster dar, die durch ein hundertfaches leichtes Drehen des Pinsels im Herzschlagtakt entstehen.

"Soñé que revelabas" präsentiert sich im Kunstmuseum als eine malerische Aufgabe mit 32 individuellen Ergebnissen, eines spannender als das andere. Uslé nennt das in Bonn exzellent präsentierte Ensemble "meine Familie" und zeigte sich sichtlich gerührt, dass er diese mittlerweile nach Neapel und Madrid, Valencia und New York, Salzburg und San Diego versprengte Sippe nun einmal versammelt sehen kann.

Wer genau hinsieht, nimmt Störelemente im schier endlosen Kontinuum der Farbbahnen wahr: bunte Tupfer, quasi entfesselte zarte Linien, die ein Eigenleben führen, oder breitspurige, die filigrane Textur "zuschmierende" Pinselspuren, die wie eine Fußnote zum Abstrakten Expressionismus amerikanischer Malerhelden anmuten.

Für derlei Interventionen hat Uslé eine Erklärung: Wenn er in akribischer Kleinarbeit seine Bahnen auf die Leinwand gesetzt hat - was er eine Art "Prä-Malerei" nennt - stellt er das Werk an die Wand. "Dann fängt die Malerei erst an", sagt er amüsiert, da entdecke er, wo noch etwas fehle, welche Partien nach malerischer Aufladung verlangen. Erst dann kommen die minimalistisch verteilten Bunt-Punkte auf das Grau-in-Grau, findet ein kompaktes hellblaues, oranges oder giftgrünes Band ins Bild. Eine Radikalität, die dem Grübeln ein Ende setzt.

"Im Dialog" mit Jan Hoet

Juan Uslés Ausstellung "Dunkles Licht" wird heute, 20 Uhr, von OB Jürgen Nimptsch im Kunstmuseum Bonn eröffnet. Die Schau läuft bis 25. Mai. Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Mi bis 21 Uhr. Der Katalog kostet 30 Euro. Im Rahmen der begleitenden Reihe "Im Dialog" ist am 16. April, 19 Uhr, Jan Hoet zu Gast, ein Urgestein der feingeistigen Kunstvermittlung. Der Belgier Hoet (77) hat die documenta IX (1992) geleitet, war Direktor des Stedelijk Museum Gent und MARTa Herford. Hoet präsentiert sich mit Intendant Stephan Berg.

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