"Nach Bonn" im Kunstverein "Du kamst mir zu Hilfe, Langeweile!"

Bonn · "Nach Bonn", den Titel zur aktuellen Ausstellung kann man so oder so auffassen, räumlich, zeitlich, psychologisch oder fatalistisch à la "Nach Bonn die Sintflut".

 Goshka Macuga: "On the Nature of the Beast", 2009.

Goshka Macuga: "On the Nature of the Beast", 2009.

Foto: M HKA CLINCKX

Dass es noch viel mehr Lesarten gibt, zeigt die Schau "Nach Bonn - Eine Montage" im Bonner Kunstverein. Wer den direkten Zugang wünscht, sollte zuerst den Text von Lars Brandt (siehe unten) lesen. Es ist ein luftig-spontaner, griffiger, bissiger, hoch ironischer, atmosphärischer Text, in dem man Hinweise bekommt wie: "Du kamst mir zu Hilfe, Langeweile!".

Das ist nicht von Brandt, sondern aus Goethes "Langeweile - die Ersatzmutter der Musen". Brandts gesamter Text, in dem wir Bonn zu erkennen glauben, ist eine Ansammlung von Zitaten von Kaurismäki bis Hölderlin, die absolut nichts mit Bonn zu tun haben. Das Prinzip Collage, die augenzwinkernde Annäherung an eine Stadt, ein Stadtgefühl, einen Mythos prägt viele Arbeiten der glänzenden Schau. Was fast alle Arbeiten verbindet: Sie wurden für Bonn gemacht.

Oder entstehen noch, wie ein Gebilde aus bunten Stoffen und Rohren, das der Athener Yorgos Sapountzis morgen gemeinsam mit Bonner Kindern zusammenbauen möchte. Unlängst hat er in New York für ein großes Echo gesorgt: Ausstellungsbesucher fühlten sich bei seinen Gebilden an Zeltstädte der Occupy-Wall-Street-Bewegung erinnert.

Erinnerung, Wahrnehmung: Diesen Phänomenen geht der Österreicher Gernot Wieland auf den Grund. Die Grundlage aller Erkenntnis, von Vertrautheit und Fremdsein, liegt, so meint er in seinen Betonskulpturen, in der Prägung durch die Eltern. Seine Skulpturen zeigen den betonierten Zwischenraum zweier Umarmungen, mit Mutter und Vater. Timo Sebers Annäherung an Bonn verlief über den Großvater, der vor Jahrzehnten die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Zeichnungen festhielt.

Seber denkt sie förmlich weiter, greift einfache Strukturen auf, präsentiert sie zusammen mit den Blättern des Großvaters unter hellen Sonnenschirmen. Der Bonner Alexander Braun erinnert an die zwei politischen Ereignisse, die die Stadt auf die historische Agenda brachten: Die Schlacht bei Worringen (1288), die die Bedeutung Bonns gravierend veränderte, "vom Rheinfischerdorf zur Residenzstadt", und der Zweite Weltkrieg, "ohne den Bonn nicht Bundeshauptstadt geworden wäre".

Mit historischen Fotos, Waldgemälden und einem wunderbaren, vom Jazzklassiker "Caravan" und einem Fauré-Stück begleiteten Video (im Kottenforst gedreht) setzt er Erinnerung und Pathos, Ironie und die Ästhetik des Krieges in Beziehung. Der Däne Jakob Kolding kannte Bonn gar nicht, bevor er herkam. Er brachte Dinge mit, die zu seiner Biografie gehören, und verschmolz sie mit Fotodokumenten aus der Stadt zu winzigen, emblematischen Collagen. Unter dem Titel "Species of Spaces and other Pieces" (Georges Perec) zeigt er sein Doku-Material und die Ergebnisse.

Die Künstlerin Goshka Macuga, Teilnehmerin der documenta, zeigt schließlich einen Wandteppich, auf dem die Eröffnung einer Londoner Ausstellung mit dem "Guernica"-Gobelin aus der UN-Zentrale durch Prinz William zu sehen ist, und konfrontiert das Ganze mit einer Büste von Colin Powell. 2003 rief der US-Außenminister vor dem Weltsicherheitsrat zum Sturz Saddams und Krieg gegen den Irak auf. Und ließ im Vorfeld, so heißt es, Picassos Antikriegsbild "Guernica" verhängen.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22; bis 12. August. Di-So 11-17, Do 11-19. Eröffnung: So, 12 Uhr

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