Kommentar Donnerndes Theater

Es ist schon ein bizarres Sommertheater, das die drei Starkünstler Georg Baselitz, Gerhard Richter und Günter Uecker aufführen, die sich mit Vehemenz gegen das von Kulturstaatsministerin Monika Grütters geplante Kulturgutschutz-Gesetz stemmen. Und das, obwohl sie nach Stand der Dinge - es handelt sich zudem um den Entwurf eines Gesetzes - gar nicht betroffen sind.

Denn es geht primär um die Ausfuhr von Kunst, die erstens als "nationales Kulturgut" eingestuft wird, zweitens älter als 50 Jahre (diskutiert wird auch die Marke 70 Jahre) und drittens teurer als 150 000 Euro (in der Diskussion: 400 000 Euro) ist.

Ob alles, was das Trio gebildhauert oder gemalt hat, "nationales Kulturgut" ist, darf - man möchte den drei Stars nicht zu nahe treten - bezweifelt werden. Und jünger als 50 respektive 70 Jahre sind ihre Werke allemal. Was hat die Drei bewogen, sich vor den Karren der Kunsthändler- und Sammlerlobby spannen zu lassen? Dass die an einem möglichst unregulierten internationalen Kunstmarkt interessiert sind, dürfte nicht verwundern. Galeristen und Kunsthändler leiden sowieso schon an der Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Kunst. Was beim deutschen Kunsthandel für Untergangsstimmung sorgte und nun zu einer ersten und ernsten Machtprobe der Lobbys mit der ansonsten sehr beliebten Staatsministerin führt, ist gängiges EU-Recht.

Und auch die Einstufung mancher Werke als unveräußerliches "nationales Kulturgut" ist verbreitet, heißt in Italien "demaino culturale", in Frankreich "trésor national". Dort hat der Staat - wie auch in Großbritannien - ein Vorkaufsrecht bei Versteigerungen. Auch in Deutschland gibt es ein seit 1955 bestehendes Kulturgutschutz-Gesetz, dessen Paragraf 1 lautet: "Kunstwerke und anderes Kulturgut - einschließlich Bibliotheksgut -, deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, werden in dem Land, in dem sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, in ein 'Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes' eingetragen. Das Verzeichnis wird nach Bedarf ergänzt."

Die von Grütters geplante Neuregelung des Gesetzes beinhaltet - im Entwurf (!) - einige problematischen Details: Unklar bleiben, wer die Kulturgutliste führen darf, der Bund oder die Länder, wo die Definitionshoheit liegt und welche Kriterien gelten. Dass, wie Grütters wohl plant, Kunst aus öffentlichrechtlichen Institutionen automatisch und gänzlich als "nationales Kulturgut" eingestuft und der Export verboten wird, stößt zu Recht ebenso auf Kritik, wie die aufwendigen Genehmigungsverfahren, die unter anderen auch beinhalten, dass der Kunstverkäufer deklarieren muss, an wen und wohin das Werk geht. Der Verdacht liegt nahe, dass hier Datenmaterial gegen Steuerflucht und Geldwäsche gesammelt wird. Was hat das mit Kulturgutschutz zu tun?

Grütters ist gut beraten, sich etwa auf den grenzüberschreitenden Handel mit Raubgut aus dem Nahen Osten zu konzentrieren. Und die Kritiker sollten mit der Energie haushalten. Es ist nie ein Gesetz so aus dem parlamentarischen Prozess herausgekommen, wie es hineingekommen ist.

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