Kunst Dietmar Elger dokumentiert Gerhard Richters Werke

BONN · Dort, auf dem ersten Rang, herrscht seit 2004 Malerfürst Gerhard Richter unangefochten vor dem Amerikaner Bruce Nauman", schreibt Linde Rohr-Bongard einführend zu ihrem alljährlich erscheinenden Künstler-Ranking "Kunst-Kompass". Richtig: 2004 bis 2008 und 2010 bis 2013 rangierte er auf dem ersten Platz.

 Gerhard Richter, "Nachtstück I" aus dem Jahr 1985.

Gerhard Richter, "Nachtstück I" aus dem Jahr 1985.

Foto: HATJE CANTZ

Im Mai 2013 erzielte Richters "Domplatz, Mailand" von 1968 bei Sothebys New York den bis dahin höchsten für ein Werk eines lebenden Künstler gezahlten Preis von 29 Millionen Euro (37,1 Millionen Dollar). Auf dem Kunstmarkt gelten er und seine Kunst als "Blue-Chips", Aktien, bei denen man nichts verkehrt machen kann. Das schlägt sich im Preis nieder.

Macht man sich frei vom schnöden Mammon und dem Drang, einen Richter zu besitzen, kann man diese Werke auch in Buchform genießen. Richter-Experte und -Biograf Dietmar Elger hat den Catalogue Raisonné Band drei der Gemälde herausgebracht. Teil eins der Jahre 1962 bis 1968 erschien 2011, Teil zwei ist vom Verlag Hatje Cantz für 2017 angekündigt. Das auf insgesamt sechs Bände angelegte Publikationsprojekt soll bis 2019 abgeschlossen werden. Elger konzentriert sich nun auf die Jahre 1976 bis 1987, denen er eine besondere Dynamik attestiert.

Die Bandbreite ist enorm, startet 1976 mit einer abstrakten "Konstruktion", der Initialzündung zu einem der wichtigsten Felder von Richters Kunst, die "Abstrakten Bilder". Zwei Drittel seines Werks drehen sich um diese Werkgruppe, immer wieder hat er dieses Problemfeld beackert. Mit der Rakel gezogene Farbspuren, undefinierbare Pigmentwolken, Unschärfen, räumliche Untiefen, gleißendes Licht und dräuendes Dunkel: Unglaublich, was Richter mit seinen "Abstrakten Bildern" alles ausprobiert hat. Richter arbeitet in Serien, geht den malerischen Problemen auf den Grund.

Der chronologisch aufgebaute Katalog dokumentiert aber auch Brüche, wenn zum Beispiel 1978 das Thema Unschärfe im Bild zu einem vermeintlichen düsteren Endpunkt geführt wird, sich eine Serie von Wolkenbildern dazwischen schiebt und dann die malerische Unschärfe in einem Gelb-dominierten "Abstrakten Bild" wiederkehrt. Lässt man das Oeuvre dieser Jahre Revue passieren, wozu Elgers Katalog unbedingt einlädt, fällt die starke Nähe zwischen den "Abstrakten Bildern" und den Landschaften auf.

"Wie die Abstrakten Bilder so sind auch Gerhard Richters Landschaften Analogien für den durch den Fensterrahmen sichtbaren Naturausschnitt", schreibt Elger. Auch die Nähe zur Fotografie ist oft gegeben, wobei Richter über das Gemalte meint: "Es hat mehr Wirklichkeit als ein Foto, weil ein Bild selbst mehr Objektcharakter hat, weil es sichtbar mit der Hand gemalt ist, greifbar materiell hergestellt ist." 1982 malt er einen unscharfen, surreal anmutenden, eine unheimliche Kälte und Trostlosigkeit ausstrahlenden Eisberg, dann folgen Kerzenbilder, Totenköpfe, Landschaften - und alles scheint sich wieder in einer weiteren Folge "Abstrakter Bilder" zu verdichten. Immer wieder kehrt er zu dieser malerischen Ursuppe zurück. Elger hat jedes der über 250 in elf Jahren entstandenen Bilder gründlich dokumentiert, nennt Sammlungen und Museen, listet die Ausstellungen auf. Richter ist nicht nur der teuerste, er ist wohl auch einer der meistausgestellten Künstler der Welt.

Gerhard Richter, Catalogue Raisonné Band 3. Hatje Cantz, 640 S., 700 Abb., 248 Euro

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