Dieser Altus ist ein Geheimtipp

Matthias Rexroth mit dem Collegium Cartusianum in der Kölner Philharmonie

Köln. In Händels "Saul" konnten Bonner Opernfreunde vor kurzem einen männlichen Sopranisten (Jörg Waschinski) erleben. Maskuline Kunststimmen im Bereich der Alten Musik bewegen sich in der Regel in einer tieferen Lage: Kontratenor nannte man das früher, heute wird der Begriff Altus bevorzugt. Bei dieser vokalen Spezies gilt es gelegentlich die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Zeiten eines anämisch säuselnden Paul Esswood dürften überwunden sein, aktuell gilt die Gesangsästhetik etwa eines Andreas Scholl.

Wie es aber scheint, ist nunmehr ein neues Kapitel aufzuschlagen. Anlass zu dieser Mutmaßung ist der 31jährige Matthias Rexroth, der nur deswegen in relativ späten Jahren seines jugendlichen Alters auf sich aufmerksam zu machen beginnt, weil er zunächst eine Karriere als Solo-Oboist anvisierte und auch schon begonnen hatte. Matthias Rexroth ist von KölnMusik als "Rising Star" für die europaweite Veranstaltungsreihe nominiert worden und wird in diesem Rahmen im kommenden April ein Liedprogramm mit barocken und frühklassischen Werken bestreiten.

Dass er bereits jetzt ein Konzert bei "Sonntags um vier" mit einem reinen Händel-Programm absolvierte, welches ansonsten von der Karthäuserkantorei und dem Collegium Cartusianum unter Peter Neumann verantwortet wurde, entspricht also nicht dem üblichen Timing bei einem Newcomer. Aber vielleicht besitzt der sympathische Sänger bereits den Ruf eines Geheimtipps, was auch den außerordentlich regen Besuch in der Philharmonie mit erklären helfen würde. Wie auch immer: lange konnte die außergewöhnliche Stimme von Matthias Rexroth nicht im Verborgenen gedeihen. Was es von anderen Stimmen des gleichen Fachs unterscheidet, ist der Resonanzreichtum, das nachgerade theatralische Volumen.

Diese vor allem in den tieferen Lagen wohltönende (und in das Tenorregister bruchlos übergehende) Stimme besitzt eine Projektionskraft, die auch für große Opernhäuser geeignet erscheint. So überrascht nicht, dass Rexroth bereits eine Reihe von Bühnenauftritten absolviert hat, bei denen er sich im übrigen nicht auf Barockrepertoire festlegte. Unter Neumann freilich tat er es, und fraglos hat er auf Bitten des Kölner Händel-Exegeten einige Nummern eigens einstudiert, denn nur das zugegebene "Ombra mai fù" sang er auswendig.

Neumann hatte für seinen jungen Gast zunächst Arien (und Rezitative) aus "Giulio Cesare" reserviert. Im Oratorium "Athalia" nahm der Chor am musikalischen Geschehen teil. Auch die restlichen Nummern aus "Rinaldo" und "Solomon" ergaben kein bloßes Solo-Recital, sondern ein dramaturgisch gerundetes Händel-Programm. Schade, dass die Aufführung nicht auf Tonträger mitgeschnitten wurde, denn Chor und Orchester leisteten unter ihrem Dirigenten Bedeutendes.

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