Ein schweres psychisches Trauma fordert Jennifer Aniston in "Cake" Diese Frau ist unausstehlich

Das Filmplakat bereitet das Publikum bereits schonend auf eine radikale Veränderung vor. Darauf ist Jennifer Aniston zu sehen, die in den letzten Jahren stets perfekt frisiert von einer romantischen Komödie zur nächsten stolziert ist. Das Poster zeigt sie nun durch einen milchigen Filter hindurch mit - man kann es nicht fassen - zerzaustem Haar!

 Versehrte Seelen: Jennifer Aniston und Sam Worthington.

Versehrte Seelen: Jennifer Aniston und Sam Worthington.

Foto: Warner Bros.

Und das ist nur ein zarter Vorgeschmack auf das, was die Zuschauer im Kino erwartet. Denn in Daniel Barnz' "Cake" spielt Aniston die ehemalige Rechtsanwältin Claire Bennett, deren Körper nach einem schweren Autounfall mit zahlreichen Narben übersät ist. Die Wunden sind seit einiger Zeit verheilt, aber die Schmerzen sind geblieben. Jede Bewegung tut weh. Ohne Medikamente wäre es nicht auszuhalten, und Claire schluckt Pillen wie andere Leute Popcorn.

Die chronischen Schmerzen haben sich tief in die Gesichtszüge und Bewegungen eingeschrieben. Und in die Seele, die neben der körperlichen Pein auch ein schweres psychisches Trauma zu bewältigen hat. Claire ist nicht nett zu ihren Mitmenschen. Nein, im Grunde ist sie vollkommen unausstehlich.

Ihr Ehemann hat längst das Weite gesucht, auch wenn er sich aus sicherer Distanz weiterhin um sie sorgt. Zu Ärzten ist Claire nur freundlich, wenn sie ihr reichhaltig Schmerzmittel verschreiben. Die Physiotherapeutin verzweifelt an der unkooperativen Patientin.

Allein ihre mexikanische Hausangestellte Silvana (Adriana Barraza) erträgt sie noch mit der Geduld einer Heiligen. Sogar aus der Selbsthilfegruppe wird Claire ausgeschlossen, weil sie sich nach dem Suizid einer Teilnehmerin nicht den therapeutischen Trauerritualen beugt, sondern im Gesprächskreis den Selbstmord in drastischen Farben schildert.

Eine düstere Faszination entwickelt sie zu der Verstorbenen, die sich von einer Autobahnbrücke gestürzt hat und ihr immer wieder als Geist im Traum erscheint. Claire besucht den Unfallort und schließlich sogar den Witwer Roy (Sam Worthington).

In dessen Trauer hat sich ein hohes Maß an Wut auf die Ehefrau gemischt, die ihn mit dem fünfjährigen Sohn allein gelassen hat. Aus den kruden, ersten Begegnungen entwickelt sich allmählich eine fragile Freundschaft zwischen den beiden versehrten Seelen.

Zweifellos liefert Jennifer Aniston in "Cake" die beste Vorstellung ihrer Karriere. Auch wenn sie hier vielleicht nicht ganz so radikal mit ihrem festgefahrenen Image bricht wie etwa Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club", überzeugt sie vollkommen in der Rolle der chronischen Schmerzpatientin, die sich vor den eigenen traumatischen Erfahrungen in die Verbitterung flüchtet.

Leider jedoch ist Regisseur Daniel Barnz weniger couragiert als seine Hauptdarstellerin. Zwar präsentiert sich "Cake" nach außen hin als kompromissloses Porträt einer geschundenen Seele, bleibt aber hinter seiner rauen Oberfläche einer klassischen Katharsis-Dramaturgie treu. Allzu offensichtlich werden hier die traumatischen Erlebnisse im Häppchen-Verfahren offengelegt, um dann einen finalen Erlösungsprozess einzuleiten.

Wie viele gebeutelte Filmheldinnen vor ihr muss sich auch Claire den eigenen Dämonen stellen, um wieder ins Leben zurückfinden zu können. Ein ebenso radikales wie tröstliches Therapiekonzept, das auf der Leinwand immer besser funktioniert als in den Niederungen der Wirklichkeit. Da macht es sich ein Film, der vorgibt den Schmerzen des Schicksals fest ins Auge zu schauen, dann doch entschieden zu einfach. Stern

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