Arp Museum Die Vision vom Dom

Bonn · Das Arp Museum zeigt, wie der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. die Rheinromantik entdeckte

 Royale Träume: Der Kölner Dom auf der Spree-Insel, eine Fantasie des Kronprinzen von 1815.

Royale Träume: Der Kölner Dom auf der Spree-Insel, eine Fantasie des Kronprinzen von 1815.

Foto: Museum

So etwas hatte der junge preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm noch nicht gesehen: 1814 stand er im unvollendeten Kölner Dom und bekannte "Ich war hallali". Ein Jahr darauf ließ er seinen Fantasien freien Lauf, zeichnete den damals realiter noch als Torso stehenden Kölner Dom durchaus künstlerisch begabt als Vision mit imposanten Türmen. Etwa so wie wir ihn heute kennen - allerdings verortete der spätere König Friedrich Wilhelm IV. den Bau seiner Sehnsüchte mitten auf der Berliner Spree-Insel. Dazu ist es ja bekanntlich nicht gekommen.

"Danke Berlin" - man weiß nicht, ob sich das reichlich dämliche Motto der Ausstellungsreihe zum Jubiläum "200 Jahre Preußen am Rhein" darauf bezieht, dass die Preußen den Dom in Kölle ließen. Das Arp Museum in Rolandseck klinkt sich in den Reigen, der an die Inbesitznahme des Rheinlandes durch die Preußen am 5. April 1815 erinnert, mit einer in vielfacher Hinsicht besonderen Schau ein. "Des Königs Traum" beleuchtet nicht nur die Gefühlslage Friedrich Wilhelms, der 1840 König wurde, und die mit der erwachten Rheinromantik und einer Portion nationaler Propaganda verbundene Vollendung des Kölner Doms.

Erinnert wird daran - und das ist etwas Besonderes - an einem authentischen, historischen Ort: Der 1858 vollendete klassizistische Bahnhof Rolandseck war der Ort, wo sich die preußischen Royals mit ihren blaublütigen Gästen trafen, von wo sie ihre rheinromantischen Touren und Bauprojekte starteten. Der Bahnhof Rolandseck war gewissermaßen das Scharnier zwischen dem Kölner Dom im Norden und den königlichen, gebauten Träumen St. Apollinaris und Burg Stolzenfels im Süden.

Es lohnt sich, länger bei der Dom-Zeichnung von 1815 des jungen Kronprinzen zu verweilen, die im Entree stark vergrößert neben einer neogotischen Fiale des Kölner Doms und Baudekor von St. Apollinaris zu sehen ist - gegenüber einer zutiefst irritierenden Fotomontage unserer Tage. Der Kölner Dom ist als da Torso des frühen 19. Jahrhunderts mit seinen Turmstümpfen und dem geduckten Langhaus zu sehen, rechts die Hohenzollernbrücke, links die erleuchteten Scheddächer des Museums Ludwig.

1815 zeichnete der Preußenprinz auch einen stolzen Ritter - vielleicht ein Selbstporträt - mit Tod und Teufel, eine Illustration aus dem damaligen Bestseller von Friedrich de la Motte Fouqué "Sindram und seine Gefährten". So etwas wie die Blaupause der Ritter- und Mittelalterfantasien jener Zeit - nicht nur des jungen Friedrich Wilhelm.

Die Begeisterung für die vermeintlich heile Welt - noch schön feudal und nicht demokratisch - beseelte den Monarchen. Erst recht, als Preußen plötzlich im Besitz des Rheinlandes war, originärer Ort der entsprechenden Mythen, Märchen und Sagen von der Loreley bis zum Nibelungenschatz. Friedrich Wilhelm beließ es aber nicht beim Träumen. Als König legte er 1842 den Grundstein zum Weiterbau des Kölner Doms: Die vom Dombauarchiv ausnahmsweise ausgeliehene prächtige Urkunde dazu gehört zu den Höhepunkten der mit 80 Exponaten gut bestückten Ausstellung.

Nicht weit von der Urkunde entfernt hängt das einzig bekannte Fotoporträt des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner. Mit Archivalien, Objekten und Bildern dokumentiert die Schau die offenbar alle Schichten ergreifende Dom-Euphorie. Zu sehen sind gemalte Visionen eines riesigen vollendeten Ideal-Doms, Souvenirs, die schon Mitte des Jahrhunderts die Gestalt des 1880 vollendeten Gotteshauses vorwegnahmen.

Der Kölner Festzug zur Vollendung ist dokumentiert - mit dabei das Ehepaar Therese und Friedrich Herbertz, das im historischen Gewand durch Köln gezogen war und als Dank für großzügige Unterstützung einen der acht aus dem Holz des Dombaukrans gezimmerten neobarocken Sessel erhielt.

Friedrich Wilhelm IV. wird in dieser Ausstellung mit zahlreichen Modellen und Zeichnungen als Bauherr porträtiert, dem die Antike ebenso am Herzen lag wie die Renaissance des Mittelalters. Zeichnungen von Caspar Scheuren zeigen, wie sich der Monarch mit dem Schloss Stolzenfels bei Koblenz seinen privaten Rittertraum erfüllte: ein Ensemble, das wie die Kulisse zu einem der Epen von la Motte Fouqué anmutet.

Wo endete die gelebte Rheinromantik und wo begann die politische Propaganda für die deutschen Nationalträume? Bis auf wenige Ausnahmen bleibt die Ausstellung hier unscharf. Etwas mehr, aber letztlich zu wenige Details liefert Rolandseck über die Reaktionen der Rheinländer auf die preußische Invasion. Immerhin: Die Kölner Karnevalisten verballhornten die preußischen Uniformen und sangen bei der Sitzung "Jeder Narr ist ein König".

Und Heinrich Heine ätzte über die preußische Pickelhaube. Die Spitze sei "so rittertümlich" und mahne an die "holde Romantik", an "Edelknechte und Knappen, die im Herzen getragen die Treue und auf dem Hintern ein Wappen". Die Helmspitze zeuge "von allerhöchstem Witze. Es fehlt nicht die Pointe, nicht die Spitze". Im Gewitterfall sei die Spitze nicht unproblematisch: Da schießen "herab auf euer romantisches Haupt des Himmels modernste Blitze".

Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen; bis 16. August. Di-So 11-18 Uhr. Katalog

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