RANDNOTIZ Die Ruinen von Palmyra

Köln · Die ausgezeichnete Palmyra-Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum thematisiert die "kämpferische Rekonstruktion" der antiken Wüstenstadt als Zeichen gegen den Ungeist fundamentalistischer Bilderstürmer.

 Syrischer Soldat nach der Einnahme der antiken Stadt Palmyra, die seit Mai 2015 in Händen des IS war.

Syrischer Soldat nach der Einnahme der antiken Stadt Palmyra, die seit Mai 2015 in Händen des IS war.

Foto: dpa

Vor wenigen Wochen herrschte beim Start der kleinen, ausgezeichneten Palmyra-Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum noch Fassungslosigkeit und Ohnmacht angesichts der Zerstörungswut der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Jetzt gibt es nach der Befreiung Palmyras durch syrische Truppen so etwas wie Aufbruchsstimmung. Die Aktualität der Ereignisse ist über die Kölner Schau gefegt, und doch ist sie aktueller denn je. Das liegt nicht nur an den akribischen Detail-Zeichnungen des Orientreisenden und Palmyra-Forschers Louis-François Cassas am Vorabend der Französischen Revolution, die Anhaltspunkte für Rekonstruktionen bilden könnten, das liegt auch am trotzigen Jetzt-erst-recht-Grundton, der die Ausstellung begleitet.

Es lohnt sich, erneut den Katalogtext des Kunsthistorikers Horst Bredekamp zu lesen, der eine „kämpferische Rekonstruktion“ der vom IS geschundenen antiken Wüstenstadt fordert. Im Katalog ist das noch ein feuriges Gedankenspiel, jetzt könnte daraus eine Handlungsanleitung werden. „Alle Bedenken, die sich gegen die Rekonstruktion unwiederbringlicher Vergangenheit richten, kehren sich in dem einzigartigen Fall von Palmyra in ihr Gegenteil“, schreibt er, „die zerstörten Stätten wieder zu errichten, hätte keinesfalls den Charakter einer rückschauenden Heilung, sondern den einer vorausblickenden Markierung der Geschichte“.

Es soll also nicht bloß dokumentiert werden, was die Zerstörung überlebt hat, wodurch der Verlust erst spürbar würde. Der Wiederaufbau würde nicht das Original unterminieren, meint Bredekamp, „jede Reproduktion lässt vielmehr ein eigenes Original entstehen“. Und ein Zeichen gegen den Ungeist der Bilderstürmer.

Bredekamps Text hat etwas Prophetisches. Was er nicht ahnen konnte, ist dass Palmyra nun zum zweiten Mal in kurzer Zeit zur politischen Geisel wird. Erst kam der IS, jetzt lassen sich dort die Befreier mit großem Propaganda-Echo feiern, der syrische Diktator Assad und der lupenreine Demokrat Putin, der die Syrer unterstützte. Können Welterbe-Retter schlechte Menschen sein? Sie können: Die von Assads Artillerie, von Hubschraubern und Bombern in Schutt und Asche gelegte Altstadt im syrischen Aleppo ist seit 1986 auch Unesco-Welterbe.

Palmyra ist befreit. Ob auch gerettet, wird sich erst zeigen, wenn internationale Experten Zugang haben, eine echte, belastbare Bestandsaufnahme möglich wird, auf deren Basis man überlegt, was geboten und was machbar ist.

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