Schabernack mit dem Außenseiter "Die lustigen Weiber von Windsor" in der Bonner Oper

BONN · Inszeniert wurde das Stück von dem Schweizer Regisseur Tom Ryser, der mit einem großen Ensemble arbeitet. Das Beethoven Orchester sorgt für die atmosphärische Musik.

 Bonbonbunter Ritter und Elfentanz: Philipp Meierhöfer (Mitte) gibt den clownesken Ritter Falstaff.

Bonbonbunter Ritter und Elfentanz: Philipp Meierhöfer (Mitte) gibt den clownesken Ritter Falstaff.

Foto: Thilo Beu

Auf eine solche Idee wie Shakespeares dicker Ritter Sir John Falstaff muss man erst einmal kommen: zwei verheirateten Damen einen gleichlautenden Liebesbrief zu schreiben. Dazu gehört entweder eine gewaltige Portion Chuzpe oder eine noch größere an Dummheit. Im Falle des englischen Ritters scheint allerdings letzteres näherliegend. In Otto Nicolais Falstaff-Version "Die lustigen Weiber von Windsor" (die immer ein wenig im Schatten von Verdi steht) heißen die beiden Damen Frau Fluth und Frau Reich. Ihnen kommt die seltsame Avance des liebestollen Falstaff sehr gelegen, um ein bisschen Schabernack mit ihm zu treiben. Das bringt Abwechslung in den grauen Alltag.

In der Bonner Oper kann man dem Liebesverwirrspiel, das sich noch auf etliche weitere Beteiligte ausdehnen wird, mit großem Vergnügen zuschauen. Inszeniert hat es der Schweizer Regisseur Tom Ryser, der dem Publikum auch ein bisschen den (Zerr-)Spiegel vorhalten möchte.

Denn die englische Stadt Windsor schaut hier aus wie eine Spiegelung des Zuschauerraumes der Bonner Oper, die braunen Holzvertäfelungen sind inklusive Intendantenloge minuziös nachgebildet, nur statt auf die eigentlich zu erwartenden Sitzreihen dazwischen blickt man auf einen Boden von der saftig grünen Farbe regenverwöhnten britischen Rasens. Auch eine rote Telefonzelle hat Bühnenbildner Stefan Rieckhoff nicht vergessen, um ein wenig Atmosphäre von der Insel aufs Festland zu importieren.

Ryser bringt ganz unterschiedliche Welten zusammen. Während die Frauen und Männer von Windsor als biedere Bürgersleute daherkommen, die der Kleidung und dem (sparsamen) Mobiliar nach in der spießigen Enge der 50er Jahre ihr Dasein fristen, ist der Ritter ein bonbonbunter Außenseiter. Mit gestreiften Hosen, blauem Jackett und rotem Hut sieht er eigentlich eher aus wie ein Clown. Nur die rote Nase versagt man dem trinkfreudigen Ritter dann doch.

Mit ganzem Herzen bei der Sache

Dass Nicolais hübsche Spieloper ein echtes Ensemble-Stück ist, daran lassen weder Regie noch Ausführende noch Musiker den leisesten Zweifel. Hier ist jeder mit ganzem Herzen bei der Sache. Aus dem Graben klingt das Beethoven Orchester unter Leitung von Robin Engelen sehr munter, besonders gelingen ihm die atmosphärischen Szenen wie jene im Wald von Windsor.

Julia Kamenik (Frau Fluth) und Anjara I. Bartz (Frau Reich) geben den Titelheldinnen im Spiel wie im Gesang ganz viel weiblichen Charme, Giorgos Kanaris und Ramaz Chikviladze sind ihre stimmkräftigen (und sehr, sehr eifersüchtigen) Gatten. Als Falstaff hat man sicherlich schon voluminöser orgelnde Bässe gehört als Philipp Meierhöfer, aber er singt diese Partie sehr nuanciert, erfasst den Charakter des auch ein wenig traurigen Clowns mit viel musikalischer Empathie.

Um Anna, die von Emiliya Ivanovas mit wunderbarem jugendlichen Sopran gesungene Tochter der Reichs, kreisen gleich drei Verehrer, wobei die von Mark Rosenthal und Pjotr Micinsky herrlich komisch gespielten Junker Spärlich und Dr. Cajus nicht wirklich eine Chance haben. Die hat der klassische junge Liebhaber Fenton umso mehr. Randall Bills stattet ihn mit einer wunderbar lyrischen Stimme aus, die sich in seiner Auftrittsarie "Horch, die Lerche" ebenso entfaltet wie im Duett mit Anna.

Die betörend begleitende Solovioline klingt hier zwar aus dem Graben, doch auf der Bühne hält eine von drei Elfen (herrlich: Melina Faka, Soledad Maria Steinhardt und Bea Nichele Wiggli) die Geige und macht aus dem Solo eine urkomische Gymnastikübung.

Der von Ulrich Zippelius einstudierte Chor wird ebenfalls sehr schön ins Geschehen integriert, sei es von der Seite, wo einfach die Holzvertäfelung weggeklappt wird, oder vor allem am Schluss in dem mitreißend und atmosphärisch inszenierten Spuk gegen Falstaff, der schließlich irritiert und hilflos seinem eigenen Traumspiegel (Sebastian Alt) gegenübersteht. Das Publikum applaudierte begeistert.

Weitere Termine: 11., 19., 27. Mai, 3., 6., 16., 23. Juni, 1. und 4. Juli, Karten u.a. in den Bonnticket-Shops in den GA-Zweigstellen oder bei www.bonnticket.de.

Auf einen Blick

  • Die Oper: Otto Nicolai hat mit den "Lustigen Weibern" ein hübsches Intrigenspiel um Shakespeares Falstaff-Figur geschaffen.
  • Die Inszenierung: Regisseur Tom Ryser kommt ohne Klischees aus, wobei ihm neben einem starken Sängerensemble drei urkomische Elfen helfen.
  • Die Musik: Gesungen wird auf hohem Niveau, das Beethoven Orchester begleitet unter Robin Engelen sicher.
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