Die Kleiderordnung der Macht im Haus der Geschichte

BONN · Die neue Ausstellung nimmt die Sprache ohne Worte in den Fokus. Sie zeigt, wie Symbole und Zeichen unser Leben bestimmen. Kleidung zählt zur nonverbalen Kommunikation genauso wie Gesten und Stimmlage.

Du bist der Beste, du siehst gut aus, alles ist möglich für dich", raunt eine Stimme (es ist die des Ausstellungsleiters Jürgen Reiche). Man lauscht, steht auf dem roten Teppich und unter einer riesigen Polizeimütze des Künstlers Erwin Wurm. Und überall knipsen die Pressefotografen.

Wie sich das Ego, eingepackt in Macht- und Politsymbolik, bildet und verändert, wie Codes für Ordnung und Orientierung in der gesellschaftlichen Hackordnung sorgen: Das alles lernt der Besucher der Ausstellung "Zeichen. Sprache ohne Worte" im Bonner Haus der Geschichte unter der riesigen Polizeimütze. "Authentisch sein kann man trainieren", lautet der passende Slogan dazu. Er stammt von dem Politik-Berater Thomas Hofer.

Intelligent und witzig, hintergründig und böse, so nähert sich die exzellente Ausstellung dem weiten Feld der nonverbalen Kommunikation, der Sprache ohne Worte, der Welt der gesellschaftlichen Codes, der Zeichen und Gesten. 50 Prozent der Kommunikation nimmt die Körpersprache ein, 35 Prozent drücken wir über die Stimmlage aus, nur zehn Prozent entfallen auf das gesprochene Wort.

Zeichen bestimmen unser Leben, ob im Verhältnis von Frau und Mann, die immer mehr in die optische Erscheinung investieren, oder im Geschäftsleben, wo die Schwärze der Anzüge den Rang abbildet.

Die Machtzentralen der Politiker

Die Ausstellung zeigt Politiker-Arbeitszimmer, deren Zuordnung teilweise auf der Hand liegt. Klar und nüchtern erscheint Angela Merkels Machtzentrale, ganz ähnlich wie die des Bundesrechnungshof-Präsidenten Dieter Engels. Unentschlossen zwischen Historie und Moderne residierte Horst Köhler, während Helmut Kohl heimatlichem Barock anhing.

Zu Anzug, Krawatte und passender Dienstlimousine gehört für den Mann von Macht auch die angemessene Uhr. Der Topmanager Klaus Kleinfeld ließ sich 2004 mit einer Rolex Submariner Date (3270 Euro) ablichten. Der Siemens-Konzern, der Kleinfeld 2005 zum Chef machte, veröffentlichte das Foto - aber nicht ganz.

Die Rolex fiel der Retusche zum Opfer. Warum? Einen Tag nach Kleinfelds Antritt verkündete Siemens den geplanten Abbau von 1350 Stellen. War das der Grund? Schwieriger fällt die Deutung für das Vorstandspissoir der Commerzbank-Zentrale mit Panoramascheibe hoch über Frankfurt. Welche Haltung drückt sich da aus?

Die Ausstellung thematisiert nicht nur die Kleiderordnung, sie analysiert auch die Rituale von Polit-Shows im Fernsehen. "Sie brauchen in solchen Runden das Kasperle, Grete, den Schutzmann und das Krokodil", sagte der Journalist Friedrich Küppersbusch. Shows werden in der Tat mit Typen besetzt.

Der Fundus ist, wie wir wissen, begrenzt. Berechenbar wie die Besetzung ist die Gestik: der erhobene Zeigefinger des wichtigen Trittin, die Faust des Machtmenschen Schröder, die Raute von Merkel. Die rautenförmig aneinandergelegten Hände der Kanzlerin symbolisieren Konzentration und Konsenswillen.

Liebesschlösser an der Kölner Hohenzollernbrücke, das Tattoo an Bettina Wulffs Oberarm, Che Guevaras Konterfei, Protest-Jeans, Palästinensertuch und Hells-Angels-Kutte: Die Welt der Zeichen ist ebenso weit wie unergründlich. Schon das Küssen wird zur Wissenschaft: Zwischen sozialistischem Bruder- und Mafiakuss preist Evelyn Hamann im Loriot-Sketch den ehelichen Kuss "als Behebung einer chronischen Kontaktschwäche" an.

Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14; bis 15. April. Di-Fr 9-19, Sa, So 10-18 Uhr

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