Ausstellung Die holde Weiblichkeit

Brühl · Max Ernst Museum in Brühl präsentiert den katalanischen Bildhauer Jaume Plensa, der nur Frauen darstellt.

 Jaume Plensas filigrane Skulptur wirft dekorative Schatten

Jaume Plensas filigrane Skulptur wirft dekorative Schatten

Foto: Franz Fischer

Das männliche Geschlecht ist für Jaume Plensa in erster Linie ein „Unfall“. „Verstehen Sie mich nicht falsch, der Mann ist eine schöne Sache, aber eben nur ein Unfall“, sagt der katalanische Bildhauer während des Presserundgangs zu seiner aktuellen Ausstellung im Max Ernst Museum in Brühl. Als Frau möchte man dieser Aussage, die ohne Vorwurf als neutrales Statement gemeint ist, spontan zustimmen, ist sich aber vielleicht doch nicht ganz sicher. Jaume Plensa, 1955 in Barcelona geboren, hat jedenfalls die Konsequenz aus seiner Erkenntnis gezogen und porträtiert nur noch junge Frauen. Sie sind für ihn „die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft“. So begegnen dem Besucher in Brühl vor allem weibliche Gesichter, anonymisierte Porträts, von denen man nichts außer dem Vornamen erfährt.

Die von Museumsdirektor Achim Sommer kuratierte Ausstellung ist, um es vorwegzunehmen, eine großartige Gelegenheit zur kunstvollen Entschleunigung. Mit der „inneren Sicht“ im Ausstellungstitel ist nicht nur Plensas Sicht, sondern genauso auch die des Betrachters gemeint, der in meditativer Stimmung sich selbst begegnet. Das mag schrecklich zeitgeistig klingen, aber es funktioniert. Gleich draußen auf der Wiese vor dem Museum wird man von „Isabella“ eingestimmt, einem 4,5 Meter hohen gusseisernen Kopf, der die Augen so sinnlich und introspektiv geschlossen hat, dass man leise auftreten möchte.

Beim Näherkommen dann stellt man fest, dass das Porträt zwar eine dreidimensionale Skulptur ist, diese aber Perspektiven aus einer anderen, der virtuellen Realität mitgebracht hat. Tatsächlich arbeitet Plensa mit Software für 3D-Animationen und verbindet sie mit klassischen bildhauerischen Traditionen. Die Technik, sagt er, sei ihm aber immer nur als Werkzeug wichtig, nie als Endergebnis. Sehr technoid bis futuristisch muten die fünf großen, aus Drahtgeflecht gebogenen Köpfe an, die im Museum von der Decke hängen und in ihrer transparenten Erscheinung ebenfalls aus einer unwirklichen Parallelwelt stammen könnten. In Korrespondenz und feinsinniger Blickachse dazu stehen die drei Gesichter, die Plensa mit Graphit direkt auf die Wände gezeichnet hat, auch sie mit geschlossenen Lidern. Eine schöne Reverenz an die zweite Dimension, oder wie er sagt, eine „Hommage an die Wände“.

Die große Arbeit „Anonymous“, in der sich zwei Reihen mit je sieben Köpfen, gelagert auf groben gebrauchten Holzbalken, gegenüberstehen, möchte man dagegen einer archaischen Bildnistypologie zuordnen. Für ihn habe die Reihung, die Wiederholung etwas spirituelles, sagt Plensa. Und wirklich fühlt man sich wie vor einem Begrüßungskomitee von Priesterinnen, die uns aus einer rätselhaften Dimension unvermutet mit ihrer Gegenwart beehren. An dieser Stelle darf Amedeo Modigliani ins Spiel kommen, der bekanntlich nicht nur ebenfalls überwiegend Frauen porträtiert hat, sondern auch durch seine gelängten Körper und Köpfe formal in die Nähe von Jaume Plensa rückt. Das hat bisweilen, wie bei Plensa, etwas populistisches, allerdings in einem positiven Sinn. Plensa hat sich übrigens auch selbst porträtiert, als kleine Miesmuschel mit einem Fragezeichen. „Die Muschel ist Behausung und Schutz, im Zentrum aber steht der Zweifel.“

Max Ernst Museum Brühl, Comesstraße 42, bis 15. Januar 2017. Di–So 11-18 Uhr, Katalog (Wienand) 34,90 Euro. Im Rahmenprogramm werden Führungen, ein philosophischer Abend und eine “Meditation im Museum” angeboten. Am 18.11. führt Jaume Plensa durch die Ausstellung

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort