Premiere an der Oper Köln Die Hakenschläge des Zufalls in Köln

Köln · In der „Hochzeit des Figaro“ überstrahlt Mozarts Musik alles. Regisseurin Emmanuelle Bastet und GMD François-Xavier Roth haben eine Art „Konzertante Oper“ im Bühnenbild geschaffen.

 Im Labyrinth der Intrigen: Robert Gleadow (Figaro) in der Kölner Inszenierung, schemenhaft daneben Emily Hindrichs (Susanna).

Im Labyrinth der Intrigen: Robert Gleadow (Figaro) in der Kölner Inszenierung, schemenhaft daneben Emily Hindrichs (Susanna).

Foto: Leclaire

Es ist die grüne Pflanzentapete, die sich von Beginn an in das Auge des Betrachters einbrennt. Zur berühmten Gartenszene, dem Gipfel im Verwirrspiel der „Hochzeit des Figaro“, wird auch noch der Boden tapeziert. Dann befinden sich alle Akteure im Wald und sehen denselben vor lauter Bäumen nicht. Jetzt haben Regisseurin Emmanuelle Bastet und GMD François-Xavier Roth eine Art „Konzertante Oper“ im Bühnenbild geschaffen – eine weitere Variante in der Sortenvielfalt der Experimentierbühne Staatenhaus.

Eine so dosierte, auf Klarheit und personengeführten Erzählmodus reduzierte Interpretation mit scharfem Blick auf Feinheiten der Charaktere kommt den Regietheater-Gegnern entgegen, läuft aber auch Gefahr, bei einer Wegstrecke von drei Stunden Längen zu erzeugen. Die werden ja sonst durch den Ärger über absurde Regie-Einfälle mühelos überbrückt. In diesem „Figaro“ wirken selbst die Kostüme auf der Guckkastenbühne altbacken, angenehm in einem Konzept, wo nichts stören soll. Wir befinden uns in einer Immerzeit des 20. Jahrhunderts, wie ein Filmschnipsel über die Bedeutung einer Beförderung zum Militär signalisiert – Maschinen erledigen Menschen, Macht funktioniert ohne gepuderte Perücke.

Trotz Humor kein Bauerntheater

Der Einspieler bleibt singuläres Ereignis und rückt die Bühnenwelt geschickt auf die reale Erzählebene. Das weiterhin sensationell undurchsichtige, stets mit neuen Zufällen hakenschlagende Libretto von Lorenzo da Ponte wuselt vor sich hin.

In der Gerichtsverhandlung um die Rechte der älteren Dame Marcellina an einem Eheversprechen, das ihr der Schuldner Figaro angeblich gegeben hat, erkennen sich plötzlich Mutter und Sohn. 30 Sekunden später hocken die liebestolle Mutter, ihre Feindin Susanna (Verlobte Figaros), ihr Rechtsanwalt und jetzt erkannter Vater Figaros und der Angeklagte, jetzt geliebter Sohn, auf einem Sofa. Solche komödiantischen Entwicklungen setzt Madame Bastet um, ohne ins Bauerntheater abzurutschen.

Geniales Gefühl für Tempo

Der geile Graf wird von Bo Skovhus gespielt und gesungen, ein von Intrigen geschüttelter, eher unsicherer Charakter, der seinem Diener Figaro, gewinnend interpretiert vom kanadischen Bass-Bariton Robert Gleadow, nur wenig entgegensetzen kann. Auch Cherubino, mit der in der Premiere bejubelten Regina Richter in der Hosenrolle, setzt dem Grafen mächtig zu. Ganz zu schweigen von Contessa Almaviva, der die rumänische Sopranistin Andreea Soare manch begeisternde Arie in die Kehle legt. Kokette Charaktere verkörpern Emily Hindrichs als allseits begehrte Susanna und die mütterlich auftrumpfende Ulknudel Kismara Pessatti als souveräne Marcellina.

Die handlungstreibenden Rezitative werden abgefeuert wie Maschinengewehrsalven, die von der am Hammerflügel virtuos auszierenden Theresia Renelt exzellent begleitet werden. Maestro Roth wogt ab der bereits bebilderten Ouvertüre auf seinem Dirigiersessel. Er drosselt und treibt, findet geniale Tempi, setzt feingliedrig Impulse und Akzente. Zudem sortiert er die großen Ensembles, die Rohdiamanten in Mozarts „Figaro“, die in Köln besonders stark glänzten. Toll klingt das Gürzenich-Orchester mit alten Pauken und Trompeten, durch die Erhöhung des Bühnenkastens wie im Graben unterhalb und vor der Bühne platziert, ohne (auch akustisch) zu versinken. Im Staatenhaus dürfen Opernfreunde dabei zusehen, wie Mozarts Musik atmet und entsteht.

Weitere Vorstellungen: 25., 28., 31. Mai und 4., 8.,10., 12. Juni im Staatenhaus Saal 2.

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