Konzert in der Beethovenhalle Die Geister der Vergangenheit begleiten ihn
Bonn · Der niederländische Barde Herman van Veen stellt in der Beethovenhalle sein nach eigener Zählung 179. Album vor. "Fallen oder springen" ist der Titel des nachdenklichen Alterswerks.
Irgendwie geht es an diesem Abend oft um Vergänglichkeit. Herman van Veen, so scheint es, spürt den Zahn der Zeit. Nicht unbedingt an sich selbst – dafür wirkt er zumindest noch zu fit, so wie er mitunter über die Bühne der Beethovenhalle springt, rockt und fegt –, wohl aber an anderen. Erinnerungen an seinen Vater räumt der 71-Jährige bei der „Fallen oder Springen“-Tour anlässlich des laut eigener Zählung 179. Albums recht viel Platz ein; auch seiner Oma gedenkt er – und seines langjährigen Weggefährten Erik van der Wurff, der im September 2014 an einer Krebserkrankung verstorben ist und dem van Veen sämtliche Konzerte gewidmet hat. All diese Geister begleiten den Niederländer, diesen „Clown mit der Glatze“, der immer wieder das Leben bejaht und der doch, wie so einige seiner Texte zeigen, verstärkt über das eigene Alter räsoniert.
Gleichzeitig setzt van Veen alles daran, um jung und frisch zu erscheinen. Mal tanzt er euphorisch zu „Roll Over Beethoven“ durch den ihn frenetisch feiernden Saal, dann wieder knöpft er sich bei „Marina, Marina“ das Hemd auf, um seinen Sex-Appeal zur Geltung kommen zu lassen. Dazu hat er sich mit einer jungen achtköpfigen Band umgeben, für die er mehrfach moderne Arrangements samt Synthi-Klängen und schmalzigem Background-Gesang geschrieben hat, so als ob der konstruierte musikalische Jugendwahn auf den Meister abfärben würde.
Zugegeben, manchmal wirkt eine leichte Orchestrierung schon, etwa bei dem exzellent konzipierten Stück „Die unbekannten Kinder“, das in der Live-Version ungeheuer eindrucksvoll ist und von den Musikern souverän umgesetzt wird, aber eigentlich könnte van Veen den Bombast, die Hollywood-Sinfonik und die Technikspielereien (etwa bei „Game Over“) auch guten Gewissens zusammenstreichen. Dieses Brimborium hat er in den meisten Fällen gar nicht nötig.
Stark wird van Veen vor allem dann, wenn er es reduzierter angehen lässt. Am besten nur er und die grandiose Gitarristin Edith Leerkes, die immer wieder mit filigranen Läufen für Begeisterung sorgt und mitunter auch selbst zum Mikrofon greift, während der 71-Jährige am Klavier sitzt oder seine geliebte Geige so unglaublich gefühlvoll zum Klingen bringt. Die beiden alleine, das genügt vollkommen. „Kraniche“ wird so zu einem Genuss, „Unten Am Deich“ ebenfalls. Schlicht, intensiv und ehrlich bis in die (kaum noch vorhandenen) Haarspitzen. Das ist eben jene Liedermacher-Seite, die im Kontrast zu den Anekdoten und Geschichten steht, die van Veen so gerne in seine Moderationen einbaut. Auf die Erwähnung der OP-bedingten Intimrasur hätte man zwar verzichten können, nicht aber auf den Traum von dem Verhältnis mit Enterich Alfred Jodokus Quack (der in diesem Jahr übrigens seinen 40. Geburtstag feiert) und das sich daraus entwickelnde Lied über orthodoxe Glaubensauslegungen, oder die bezaubernde Mini-Pantomime, die der Niederländer irgendwann zum Besten gibt. Der Clown und der Denker, der Meister von Absurdität und Feinsinn – dieser Kontrast macht Herman van Veen aus, deswegen kommen die Leute immer wieder gerne zu ihm. Das Publikum dankt ihm denn auch mit frenetischem Jubel und stehenden Ovationen.