Juliette Gréco Die französische Chansonsängerin hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben

BONN · Bonner Oper, Mai 2000. Juliette Gréco absolvierte ihren Liederabend vor vollem Haus. Und wer gekommen war, dem blieb dieses musikalische Ereignis unvergesslich. Ein Mythos war zu besichtigen, und zwar einer, in dem noch sehr viel Leben war. Grécos Magie war ganz gegenwärtig, nichts schuldete sie wohlfeilen nostalgischen Reflexen.

 Die französische Chansonsängerin Juliette Greco, aufgenommen im März 2004 in Helsinki.

Die französische Chansonsängerin Juliette Greco, aufgenommen im März 2004 in Helsinki.

Foto: dpa

Begleitet von einer exzellenten fünfköpfigen Band um Gérard Jouannest (dritter und wahrscheinlich letzter Gréco-Ehemann), arbeitete sich die damals 73-jährige Sängerin durch den Klassiker-Kanon des französischen Chansons: mit Stücken von Jacques Prévert und Léo Ferré, Jacques Brel und Serge Gainsbourg. Wer von Grécos Vortrag nicht hingerissen war, dem schlug kein Puls mehr.

Die Diva, ganz edle Blässe und schwarze, sich den Zumutungen des Alters widersetzende Mähne, gefror ein ums andere Mal zu Posen von erlesener Statuarik; darin drückte sich das Bewusstsein eigener Größe aus. Doch auch die gereckte Faust (Frauen-Power!), die temperamentvolle Geste hatte sie im Repertoire. Ihre Stimme passte sich den Bewegungen des Körpers und den Anforderungen der Chansons an: mal laut, mal lasziv, mal exaltiert, mal voller Poesie.

Juliette Gréco wird in ein paar Tagen 85 und ist immer noch da: mit neuen Alben, Auftritten und, gerade auf Deutsch erschienen, der Autobiografie. "So bin ich eben" (im Original: "Je suis faite comme ça") ist der Titel der "Erinnerungen einer Unbezähmbaren". Zwei Sätze bilden eine unsichtbare Klammer für das Buch und das Leben der am 7. Februar 1927 in Montpellier geborenen Sängerin und Schauspielerin. Einmal ist da ein charakteristischer Satz über die frühe Kindheit: "Ich wachse ohne die Liebe der Mutter und ohne Vater auf." Zum anderen ein lakonisch kurzes Resümee der menschlichen Existenz: "Das Leben ist ein ständiger Kampf."

Diesen Kampf hat sie bereits als kleines Kind aufgenommen, der Tod des Großvaters bedeutete dabei für das Mädchen eine grausame Niederlage. "Das war das Ende meiner Unschuld", notierte Gréco rückblickend, "und der Beginn einer großen Einsamkeit und Leere, die niemand füllen konnte."

Später war sie ein Star, die "schwarze Muse von Saint-Germain-des-Prés". Sie gehörte zur intellektuell-künstlerischen Elite von Paris, hatte Erfolg als Sängerin und Schauspielerin, lernte viele Männer intim kennen und manche leidenschaftlich lieben: wie Miles Davis, Darryl Zanuck, Sacha Distel, Michel Piccoli. Doch Kampf, Widerstand und unbedingte Unabhängigkeit blieben stets das Fundament ihrer nur an der Oberfläche glamourösen Existenz. Mit dem Schauspieler Philippe Lemaire (1927-2004) hatte sie eine Tochter, Laurence-Marie. Doch die Ehe scheiterte, kämpferisch entschied sich Gréco für die Trennung von Lemaire.

Später reichte es, wenn sie eine Verbindung als langweilig empfand, dann war Schluss. "Ich gehöre nur mir", hat Juliette Gréco festgestellt. "Der Stahl, aus dem ich geschmiedet bin, ist ziemlich hart." Ihrem Willen ordnete sie alles unter, Abhängigkeit jeder Art war ihr zuwider. Jemand wie sie hat auch keine Probleme damit, von einem Tag auf den anderen den Zigaretten zu entsagen.

Die Begegnung während des zweiten Weltkrieges mit den deutschen Besatzern in Frankreich und deren geheimer Staatspolizei zeichneten und prägten Gréco. Ihr Sinn für die Revolte hatte hier ihren Ursprung und der Ekel angesichts der Unzulänglichkeiten der menschlichen Natur. Vielleicht erklärt dies auch den zeitweiligen politischen Flirt mit dem Kommunismus.

Eine akademische Bildung hat Juliette Gréco nicht genossen, das Bistro wurde ihre Universität, mit Lehrern wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. In Nachtclubs wie dem Kellerlokal Le Tabou, wo Boris Vian auf seiner Trompete spielte, übte Gréco gewissermaßen für ihre Karriere als Künstlerin. Sie hatte es da mit den besten Textern und Komponisten des französischsprachigen Chansons zu tun. In ihrer Biografie, die ein langes, ereignisreiches Leben auf rund 230 Seiten komprimiert, ist die Leidenschaft für die Kunst auf fast jeder Seite spürbar. Gréco brennt für das Chanson, für die Poesie. Aber sie kennt auch Zweifel und Lampenfieber. Davon lassen kann und will sie nicht. 2007, im Alter von achtzig Jahren, trat Gréco nach schwerer Krankheit und einer Pause von einem Jahr erstmals wieder auf. "Ich kroch aus einem finsteren Tunnel. Es war eine Art Wiedergeburt", erinnerte sie sich. Der 85. Geburtstag am 7. Februar wird die Sängerin nicht aufhalten, sie macht weiter. "Ich weiß nicht, ob ich ein Leben ohne Musik ertragen könnte", sagt sie.

Juliette Gréco: So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren. Aus dem Französischen von Herbert Fell. Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, 238 S., 19,99 Euro.

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