Santiano in der Kölner Lanxess-Arena Die Fan-Mannschaft erweist sich als seefest

Santiano ist ein bisschen wie Labskaus. Also von nördlicher Provenienz und aus Zutaten bestehend, die scheinbar so gar nicht zueinander passen: Schlager und Walhalla, Shantys und Betroffenheit, Folk und Hightech, Rock und Plattdeutsch.

 Auf nach Californio: Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen besingt den Wind und das Meer.

Auf nach Californio: Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen besingt den Wind und das Meer.

Foto: Thomas Brill

Zusammengerührt aber dennoch ein Erfolgsrezept. Seit dem Stapellauf 2012 mit "Bis ans Ende der Welt" sind Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen, Axel Stosberg, Björn Both, Andreas Fahnert und Peter David "Pete" Sage ununterbrochen auf Erfolgskurs. Leinen los und volle Kraft voraus heißt es auch Mittwochabend in der Lanxess-Arena, wo Santiano 7500 begeisterte Hilfsmatrosen kapern.

Bevor das Quintett aus Schleswig-Holstein mit "Lieder der Freiheit" vom dritten Studioalbum (2015) einen formidablen Einstieg bietet, tuten die Nebelhörner, branden die Wogen, und die Möwen kreischen. In den nächsten 100 Minuten wird der Fluss der maritimen Versatzzeichen - gesungen, eingespielt und abgebildet - nicht abreißen. Luv und Lee, Strand und Steuerrad, Wind und Wehmut.

Das Bühnenbild wird dominiert von einem riesigen Fantasy-Schiff mit Drachenschlangenköpfen, das, bei Bedarf, sogar entflammbar ist. In den besten Momenten erinnert das, besonders durch die gruftige Stimme von Both und das leidenschaftliche Geigenspiel von Sage, an "In Extremo", "Unheilig" oder an Mike Oldfield. Wobei schon das Intro ein Wiedergänger von "To France" ist. Santiago covern gerne anglo-irisches Material. Tun viele kölsche Bands auch.

Die Fanbesatzung erweist sich als äußerst seefest. Hoch in den Rahen und tief im bestuhlten Rumpf der Arena schunkelt und schaukelt sie mit, zu Stücken wie "Auf nach Californio", "Sieben Jahre" oder "Johnny Boy" taktet sie rhythmisch klatschend den Schlag der Ruder, und wenn es heißt "Es gibt nur Wasser", dann fällt sie stimmstark in dieses Klagelied durstiger Seemänner ein.

Mitunter wird soviel Feierfreudigkeit sogar dem bärtigen Both zuviel. Er mahnt an, auch die Stille zu respektieren. Und ein Trupp trinkfreudiger Smutjes, der selbst nach "Die letzte Fahrt", einem Lied über den Tod und das Abschiednehmen, noch immer das Gröhlen des Refrains von "500 Meilen" nicht einstellen will, wird von ihm verbal mal eben kielgeholt.

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