Vom Radio zum Fernsehen Die Deutsche Welle hat in Bonn ein hochmodernes Studio eröffnet

bonn · In der "Maske", in der zwei professionell eingerichtete Kosmetiktische mit Spiegel und starken Lampen stehen, wird gerade eine Moderatorin geschminkt. Am Garderobenhaken hängen Fotokopien mit bereits geschminkten Moderatoren und Korrespondenten. "Viele waren vorher beim Hörfunk", sagt Peter Koppen, Videokoordinator von der Deutschen Welle (DW) in Bonn, sie wurden fürs Fernsehen weitergebildet.

Was für alle eine Umstellung bedeutete, manchem eine neue Karriere ermöglichte, und die Koordinatoren mitunter vor große Herausforderung stellte: "Die türkischen Partner wollten unbedingt eine Blondine - wir haben eine sehr kompetente gefunden", sagt Koppen. In der "Maske" - "bei Frauen dauert das 30 bis 45 Minuten, bei den Männern geht das schneller", schmunzelt Koppen - verwandeln sich die bislang nur akustisch wahrnehmbaren Menschen in telegene Wesen, die dann in der Blue- oder Geenbox Themen, Kommentare, Inhalte per TV-Kamera in die ganze Welt transportieren.

Wie sich die DW, die Anfang dieses Jahres mit einer neuen Struktur startete, am Standort Bonn verändert hat, lässt sich am besten an der "Maske" und am neuen Studio ablesen. Die Reform der Welle umfasst - sehr grob zusammengefasst - den Abbau von Radiokapazitäten, um die Kompetenzen im Fernsehen und Internet zu bündeln und so einem gewandelten Kommunikationsbedürfnis gerecht zu werden. Und natürlich kostengünstiger zu produzieren.

Gerade wurde das neue Studio im Haus der Deutschen Welle im ehemaligen Schürmannbau eröffnet: Ein Hundert-Quadratmeter- Raum, der früher ein Hörfunkstudio war und jetzt mit einer riesigen gebogenen LED-Wand, einem grasgrünen Boden, einem Arsenal von Scheinwerfern und drei Kameras zum hochmodernen TV-Studio umfunktioniert wurde. Das drei Millionen Euro teure Studio - "das neue Tagesschau-Studio kostet 25 Millionen", wie Koppen süffisant anmerkt - gehört, so der Videokoordinator, zu den modernsten Kompaktstudios in Deutschland. Drei wissenschaftliche Magazine, unter anderem auf Indonesisch, Hindi und Brasilianisch entstehen hier, außerdem Schaltungen zu Experten und Kommentatoren. Potenziell 140 Millionen Haushalte erreichen etwa die mit Partnern in Indonesien ausgestrahlten Beiträge der DW pro Sendung - "mit dem Radio wäre das nicht möglich", sagt Benjamin Pargan, der das Videoteam Mittel-/Südosteuropa leitet. In Griechenland werden, so Pargan, Presseschauen und "Schalten" der DW in den Nachrichten des großen Privatsenders "Sky-TV" sehr gut aufgenommen. Hier zeige sich das Potenzial der Kooperation, erklärt Johannes Hoffmann, Leiter der Unternehmenskommunikation der DW. Man könne so deutsche Politik in Griechenland erklären, gegen die Polemik auf der Straße und in den Massenmedien arbeiten, die etwa Angela Merkel mit Hakenkreuz zeigen.

Acht Monate hat der Umbau des Hörfunkstudios in einen virtuellen Raum gedauert, in dem Moderatoren und Moderatorinnen gleichsam von Bildern umspült werden und in kürzester Zeit Beiträge in höchster sendefähiger Qualität produziert werden können. "Vor einem Jahr haben wir unser erstes Europamagazin in einer Rumpelkammer gemacht", erzählt Pargan und zeigt den Vorläufer des neuen Studios: 2-D statt 3-D, schlechte Beleuchtungssituation, lange Nachbearbeitungszeiten.

Jetzt ist es hingegen möglich, perfekt hergestellte digitale Beiträge auf einem Server zu parken, wo die Partnersender in aller Welt sie sich abholen können. Der Standort Bonn, bislang auf Hörfunk gepolt, kooperiert dabei eng mit Berlin, wo bislang mehr oder weniger exklusiv das Fernsehen der DW beheimatet war. Dort sind die Kapazitäten so eng, dass derzeit Formate auf Arabisch und Spanisch fürs Satellitenfernsehen in Bonn produziert werden müssen. "Das stärkt den Standort Bonn", sagt Hoffmann. Und lässt viele Kritiker verstummen, die mit dem schleichenden Ende der Radiozeit auch das Ende der DW nahen sahen.

Deutsche Welle in Bonn

TV in Bonn: Die Deutsche Welle (DW) produziert in Bonn neun wöchentliche TV-Magazine: "Manthan (auf Hindi), "Inovator" (Indonesisch) und "Futurando" (Portugiesisch). Die Sendungen, die sich auch als Podcast auf der DW-Internetseite finden, bringen Beiträge aus Wissenschaft, Technik und Umwelt. Die Bereiche Politik, Kultur und Wirtschaft werden von den Magazinen "Euro Box" (auf Rumänisch und Kroatisch), "Euro Panorama" (Bosnisch), "Evro Panorama" (Mazedonisch), "DW ile Avrupa" (Türkisch) und "Europa sot" (Albanisch) aufgearbeitet. Geplant sind ferner Magazine auf Serbisch, Bulgarisch und Russisch.

In der Zukunft sollen in Bonn auch Formate zu Kultur und Lifestyle entstehen, auch Talk-Runden soll es geben.

Zahlen und Fakten: In den Standorten Bonn und Berlin arbeiten 1500 feste und viele freie Mitarbeiter aus 60 Ländern. Woche für Woche nutzen laut DW rund 86 Millionen Menschen auf allen Kontinenten unsere journalistischen Inhalte. Der Etat liegt 2012 bei 271 Millionen Euro.

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