Der wahre Held bleibt der Wortheld

Das Bonner Theater hat eine neue Spielstätte: Der "Noteingang" feiert Eröffnung mit Conor McPhersons "Salzwasser" in der Regie von Klaus Weise

Schattenspiel  im "Noteingang": Szene aus Klaus Weises "Salzwasser"-Inszenierung.

Schattenspiel im "Noteingang": Szene aus Klaus Weises "Salzwasser"-Inszenierung.

Foto: Thilo Beu

Bonn. Man muss den Haupteingang benutzen, obwohl der Name der neuen Bonner Spielstätte doch so viel versprechend nach Fluchtort und verstohlenem Zutritt klingt: "Noteingang" heißt die neue Kleinbühne, die dem Opernfoyer abgetrotzt wurde und auf der in Zukunft Lesungen und kleine Produktionen herauskommen sollen.

Zur Eröffnung zeigt Klaus Weise mit Conor McPhersons "Salzwasser" eine Inszenierung, die schon 1999 in Oberhausen herauskam und jetzt für Bonn neu eingerichtet wurde. Der 34-jährige irische Dramatiker lässt in seinem Stück drei Allerweltstypen aus einem gottverlassenen Küstenkaff der grünen Insel einfach ihr Leben erzählen. Da in solcher Art Alltagsepen der Zuhörer das Wichtigste ist, haben Klaus Weise und sein Bühnenbildner Fred Fenner die Besucher in der Mitte des schwülrot ausgeleuchteten Noteingangs platziert. Die drei irischen Jungs schauen nur durch die umlaufenden Türöffnungen herein und schwadroniren: von Frauen, Imbissbuden und Saufgelagen, von der Familie und einem kleinen Überfall, nichts Besonderes, Lebensgeschichten eben.

Der pubertierende Joe (Daniel Wiemers) hängt mit Bewunderung an einem seiner coolen Mitschüler, doch eigentlich hat er sich in "Deborah irgendwas" verliebt; die Hände tief in den Taschen vergraben, fühlt er sich im Türrahmen unwohl und wichtig zugleich, präsente Schmalbrüstigigkeit mit Hang zum trotzigem Adoleszenz-Beweis.

Sein Bruder Frank dagegen in Gestalt von (dem aus Bochum ausgeliehenen) Felix Vörtler strahlt pralle Lebenssattheit unterm straff gespannten T-Shirt aus. Die Sätze rumpeln zunächst eher vor sich hin, bis er endlich mit der Geschichte vom Überfall auf das Wettbüro in Fahrt kommt; prollige Gutmütigkeit mischt sich mit naivem Stolz und ehrlichem Erstaunen über den gelungenen Diebstahl.

Allerdings muss ihn zunächst Ray (Yorck Dippe) aus der Bredouille befreien, der Unidozent, der mit Joes und Franks Schwester befreundet ist, aber auch reihenweise Studentinnen flachlegt. Kein Intellektueller, eher ein - trotz Gucci-Anzug - heruntergekommener, sufferprobter Bohemien mit dem Forschungsprojekt "ultimativer Sex".

Conor McPhersons "Salzwasser" steht in der Tradition von Dramatikern wie Sean O''Casey und vor allem John Millington Synge, in dessen Stück "Der Held der westlichen Welt" ein junger Mann allein für seine (erlogene) Erzählung vom Mord an seinem Vater bewundert wird. "Der wahre Held bleibt der Wortheld, wird homerisch", bemerkte Heinrich Böll einmal dazu. Das gilt auch für McPhersons Protagonisten, die in wechselnden Monologen ihr Leben rückschauend erzählen. Ob es wirklich so war, ist unerheblich; die gute Geschichte verbürgt das gelungene Leben.

Auch Klaus Weises Inszenierung gelingt schließlich, doch macht sie es den Schauspielern durch den begrenzten Aktionsradius in den Türrahmen sehr schwer. Wie festgenagelt stehen sie da, nur auf Sprache verwiesen; außer bei Felix Vörtler kommt da zunächst meist nur verkrampfte Lockerheit "über die Rampe".

Weises artifizielle Spielereien mit der Beleuchtung oder drei aseptischen Animierdamen helfen da auch nicht. Erst nach der Pause fällt die Anspannung ab, und die Darsteller drehen auf; das Geplauder wird zur Geschichte, die Pointen sitzen, die Monologe verweben sich zunehmend zu einer großen Erzählung, der man gebannt lauscht. Joes Lebens-Resümee gilt schließlich auch für die Inszenierung: "Alles fing ganz gut an und wurde dann besser."

Die nächsten Aufführungen: 26. März und 23. April; Karten unter anderem in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers.

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