Der Untergang kommt eher, als man denkt

Marc Soustrot und das Trio Jean Paul mit Berlioz, Beethoven und Ravel im Freitagkonzert in der Bonner Beethovenhalle

Bonn. Beethovens sogenanntes "Tripelkonzert", das op. 56 für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester in C-Dur, ist für einen Klangkörper, der sich dem in Bonn geborenen Wiener Klassiker ganz besonders verbunden fühlt, vielleicht ein Muss. Dem Habsburger Klavierschüler Erzherzog Rudolf war der Tastenpart jenes zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom Genre her bereits überkommen anmutenden Werks in die Finger geschrieben: Das erklärt manches.

Beim 7. Freitagkonzert in der Beethovenhalle wurde nun auch diese Lücke in einem auf Vollständigkeit bedachten sinfonisch-konzertanten Repertoire geschlossen, wobei der vom Trio Jean Paul absolvierte solistische Part nicht unbedingt dazu beitrug, dem Werk interessante Aspekte oder gar neue Facetten abzugewinnen. Unerfreulich war vor allem eine in den kritischen Lagen nicht immer makellos artikulierende Violine. Der anfänglich etwas anämische Celloton fand glücklicherweise schnell Bodenhaftung, zumal Beethoven diesem Instrument in allen drei Sätzen den Vortritt lässt. Perlend präsent das Klavier. Festzuhalten bleibt auch eine sorgfältig austarierte Balance zwischen Orchesterstimmen und Klaviertrio.

Dass das Trio Jean Paul auch ganz anders kann, bewiesen Eckart Heiligers (Klavier), Ulf Schneider (Violine) und Martin Löhr (Violoncello) im Allegretto des Es-Dur-Trios op. 70, Nr. 2: eine Zugabe, die - kammermusikalisch mustergültig - mit spannungsreicher Verve vorgetragen wurde.

Nach solcher Pflicht konnte man sich umso gelassener der Kür widmen. Die bestand aus Ravels effektvoll groß besetzter, dabei das iberische Idiom indes nur imitierender Rhapsodie espagnole und aus La Valse, jenem vielleicht subversivsten Stück der französischen Moderne. Soustrot mochte bei diesem impressionistischen Nekrolog auf die mit dem ersten Weltkrieg endgültig untergegangene K.u.K-Monarchie seine Erfahrungen mit Mahler als dem Vertreter des musikalischen Fin de SiŠcle eingebracht haben, womit einmal mehr die Affinitäten des Bonner GMD zur Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts evident wurden.

Das Abgründige, Morbide dieses fulminanten Walzerstrudels mit seinen dissonanten Aufschreien lässt sich zwischen den Zeilen umso subtiler mitteilen: Der Untergang findet statt, kaum dass man''''s bemerkt: Glanzleistung eines bestens disponierten Riesenapparates, der von Soustrot, einem Klangmagier wie Bernstein (mit vergleichbar akrobatischer Gestik), sicher durch den nicht nur rhythmisch komplexen Text geleitet wurde.

Eine Rarität hatte den Abend eröffnet: Von Berlioz'''' erster Oper "Benvenuto Cellini" kennt man allenfalls jenes zur "Ouverture caract‚ristique" op. 9 unter dem Titel "Le Carnaval romain" eingedampfte Material. Soustrot präsentierte dagegen die originale Ouvertüre, deren Hauptthema sich aus dem Holz über dem Pizzicato der tiefen Streicher effektvoll entwickelt.

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