Vor 80 Jahren geboren Der Retter des Bahnhofs Rolandseck

Remagen-Rolandseck · Johannes Wasmuth bewahrte den klassizistischen Bau vor dem Abriss und gestaltete den Ort zu einem Treffpunkt, der Künstler, Musiker und Dichter aus aller Welt anzog. Aus seiner Freundschaft zu Hans Arp entwickelte sich die Vision eines Arp Museums, das zehn Jahre nach Wasmuths Tod eröffnet wurde.

 Johannes Wasmuth mit dem Dirigenten Leonard Bernstein.

Johannes Wasmuth mit dem Dirigenten Leonard Bernstein.

Foto: STADTARCHIV BONN – CAMILLO FISCHER

Der spätere Fernsehjournalist Ulrich Wickert war noch Student in Bonn, als er zu Johannes Wasmuth, dem schillernden Impresario vom Bahnhof Rolandseck, in den Wagen stieg, um in Köln den Kabarettisten Werner Finck aufzusuchen. „Wasmuth besaß einen BMW V8, heute noch einer der schönsten Oldtimer“, schwärmt Wickert in seinem Buch „Neugier und Übermut“. „Leider brach der alte BMW auf der Strecke zusammen, so dass wir die Reise mit einem Taxi fortsetzen mussten.“ Unterm Strich war der Kurztrip nach Köln ein Reinfall. Denn Wasmuth verlor nicht nur seinen BMW, auch aus dem eigentlichen Zweck der Fahrt, auf Wickerts Vermittlung Finck für einen Auftritt in Rolandseck zu gewinnen, wurde am Ende nichts.

Die kleine Episode wirft ein hübsches Licht auf Johannes Wasmuth, der am Donnerstag 80 Jahre alt geworden wäre. Er hatte Stil, liebte die Schönheit. Rückschläge entmutigten ihn nicht, seinen Weg unbeirrt fortzusetzen. Wasmuth ermöglichte in einer Zeit Kultur, in der das Wort Kulturmanagement noch nicht erfunden war, und seine unkonventionelle Art würde wohl auch nicht für ein offizielles Lehrbuch dieses Fachs taugen.

Die „Zeit“ attestierte dem am 11. August 1936 im ostwestfälischen Warburg im Landkreis Höxter zur Welt gekommenen Wasmuth einmal den „Charme eines gelernten Vagabunden“. Seine berufliche Karriere begann er auf einem Gebiet, das man nicht zwingend der Kunst zuordnen würde. Als 20-Jähriger fand der Sohn eines Kolonialhändlerehepaares zunächst Arbeit als Schaufensterdekorateur in Neuss.

Eine der schönsten Landschaftsansichten der Welt

Anfang der 60er Jahre begann Wasmuth, Benefiz-Auktionen zu organisieren, in denen er Werke von Picasso über Dalí bis Arp verkaufte. Mit den Erlösen finanzierte er unter anderem den Bau von Kindergärten – auch in Bonn. Als „Edelschnorrer“ titulierte ihn das „Handelsblatt“ einmal für sein Talent, aus dem Kunstbetrieb Geld für soziale Zwecke zu generieren, der britische „Guardian“ adelte ihn gar zum „Robin Hood of Bonn“. In Bad Godesberg gründete der Kunstliebhaber die „Galerie Pro“. Unter dem Label „Festival Pro“ veranstaltete er später Konzerte auch in der Bonner Beethovenhalle. Der Bahnhof Rolandseck erschien dem umtriebigen jungen Man als perfekter Ort für die Realisierung seiner ambitionierten Ideen. In dem 1856 fertiggestellten mondänen Gebäude waren einst Königin Victoria von Großbritannien und Kaiser Wilhelm II. ausgestiegen, Musiker, Philosophen und Dichter wie Johannes Brahms, Friedrich Nietzsche, George Bernard Shaw und viele mehr kamen, um den Blick über Rhein und Drachenfels schweifen zu lassen, eine Landschaftsansicht, die Alexander von Humboldt zu den sieben schönsten der Welt zählte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Immobilie völlig heruntergekommen, 1958 gab man sie zum Abriss frei. Mit der Unterzeichnung des Mietvertrags im Oktober 1964 wandte Wasmuth dies Schicksal jedoch von dem wunderschönen Bauwerk ab. „Mir war wichtig, mit Künstlern einen Platz zu haben, um Sachen zu machen, die wunderbar sind“, sagte er einmal. Er war davon überzeugt, „dass Künstler über Menschen ganz viel wissen. Ich wollte sie zusammenbringen. Das kann man nicht organisieren. Da kann man nur eine Basis schaffen. Und durch diese Basis können Wunder möglich werden“.

Wasmuth stieß bei seinem Vorhaben auf große Unterstützung bei Künstlern und Musikern. Zusammen mit dem Pianisten Stefan Askenase und Yaltah Menuhin, der Schwester des Geigers Yehudi Menuhin, gründete er 1965 die Gesellschaft „arts and music“ und öffente die Türen des Bahnhofs für Künstler und Musiker. Unter anderem bereitete sich hier Martha Argerich unter Anleitung von Askenase auf den Warschauer Chopin-Wettbewerb von 1965, den sie triumphal gewann. Der legendäre russische Pianist Swjatoslaw Richter, der hier eine Weile lebte, spielte in seinen letzten Lebensjahren Benefizkonzerte im Bahnhof und in der Kölner Philharmonie, um die Finanzierung des geplanten Arp Museums zu unterstützen. Der Künstler Gerhard Richter porträtierte Wasmuth 1966 vor dem Bahnhof stehend. Im selben Jahr löste sich hier die Künstlergruppe ZERO feierlich auf.

Marcel Marceau verfasste ein flammendes Manifest

Wasmuth vermittelte, dass Konrad Adenauer dem Maler Oskar Kokoschka für ein Porträt Modell saß, dessen Verkaufserlös von 150 000 Mark er in die Sanierung des Bahnhofs steckte. Dennoch litt Wasmuth unter chronischem Geldmangel, den er unter anderem mit Benefiz-Veranstaltungen zu überwinden suchte. 1969 lud er unter dem Motto „Rettet den Bahnhof Rolandseck“ zu einem Fest ein. Statt der erwarteten 600 Menschen kamen über 3000. Zuvor hatte der französische Pantomime Marcel Marceau ein flammendes Manifest zum Erhalt des Künstlerbahnhofs verfasst. „Der Bahnhof Rolandseck wird das Theater sein, in dem sich alle Künste vereinen, um das Wunderbare zu schaffen“, schrieb er.

Nach der endgültigen, mit einer Urkunde aus der Hand des damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl besiegelten Rettung setzte Wasmuth in den 70er Jahren seine Arbeit fort, organisierte die ersten Konzerte des Israel Philharmonic Orchestra in der Bundesrepublik, die es auch in die Beethovenhalle führte. Mit dessen Konzertmeister Chaim Taub gründete er ein Kammermusikfestival, das den Nachwuchs und erfahrene Orchestermusiker in Meisterkursen zusammenführte. Die Verbindung zur israelischen Kultur war dem kunstliebenden Deutschen eine Herzensangelegenheit.

Seit 1959 verband Wasmuth eine enge Freundschaft mit dem Dadaisten Hans Arp, die sein weiteres Leben und die Entwicklung in Rolandseck prägen sollte. Er verschrieb sich der Pflege des Werks des aus Straßburg stammenden und 1966 gestorbenen Künstlers und seiner ersten Frau Sophie Taeuber-Arp. Arps zweite Frau Marguerite Hagenbach übertrug der von Wasmuth gegründeten Arp-Stiftung 1977 die Nachlassbestände und die Urheberrechte. Als es darum ging, dem Land Rheinland-Pfalz Werke im Wert von 20 Millionen Euro zu verkaufen, wurden Zweifel laut, ob es sich bei den Güssen tatsächlich um Originale handelte oder sie nicht doch als wesentlich weniger wertvolle Kopien einzuschätzen seien.

Als Wasmuth am 16. September 1997 in Rolandseck an Herversagen starb, war der Streit noch nicht beigelegt. Das von dem Architekten Richard Meier geplante Arp Museum jedoch wurde gebaut, aus Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichs und Landesmitteln aus Rheinland-Pfalz, und thront seit 2007 gleichsam als Krönung des Lebenswerkes von Wasmuth über dem historischen Bahnhof.

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