Ausstellungen in Bonn Der Reiz der Oberfläche

BONN · Neue, sehenswerte Ausstellungen in der Mehlemer Villa Friede und im Kunstraum 21.

 Csilla Kudor vor ihrem Gemälde "Grüße aus Dakar" (2013) in der Villa Friede.

Csilla Kudor vor ihrem Gemälde "Grüße aus Dakar" (2013) in der Villa Friede.

Foto: Franz Fischer

Villa Friede

"Versuchen Sie bloß nicht, die Verpackung von dem Bild zu entfernen", warnt Dieter Ronte, der ehemalige Direktor des Kunstmuseums Bonn, am Freitagabend: "Die Verpackung ist gemalt". Ronte ist Kurator einer Ausstellung in Reng Rongs Mehlemer Villa Friede. In dieser Schau wird von einer jungen Künstlerin, Csilla Kudor, der älteste Trick der Kunst in Perfektion zelebriert.

Seit der Antike zeigt sich die Meisterschaft des Künstlers darin, die Realität so akkurat zu gestalten, dass der Betrachter getäuscht wird, das Geschaffene für real hält. Die Malerei kennt seit den Fresken von Pompeji das Genre des Trompe-l'?il, die trickreiche Augentäuschung, ein Genre, das mit der illusionistischen Kunst der Renaissance und des Barock eine wahre Kunst-Karriere hinlegte. Erst die Moderne stellte die oft zur puren Übung geronnene, virtuose und eitle Kunstfertigkeit - durchaus mit guten Argumenten - ins Abseits.

Das alles stört die Rumänin Csilla Kudor nicht, die in Düsseldorf bei Markus Lüpertz studiert und sich gleichwohl jenseits der professoralen Stilwucht ihre Eigenständigkeit bewahrt hat. Ihre Gemälde in der Villa Friede spielen gekonnt mit dem Mittel der Augentäuschung, suggerieren einen Zustand, der vor einer öffentlichen Präsentation stehen mag: Die Gemälde wirken nur unvollständig ausgepackt, hier ein Klebezettel, dort eine herabhängende Folie, ein eingerissenes Packpapier.

Kudor belässt es aber nicht bei der künstlerischen Trickserei: Ihr Thema ist der Krieg der Kulturen, insbesondere der Ausverkauf Afrikas, ihr Vorbild der Fotograf Peter Beard, der mit seinem kritischen Buch "The End of the Game" Geschichte geschrieben hat. Kudor hat ihm ein Bild gewidmet, in dem sie auch ihre Idole in der Kunst verewigt hat. "Jenseits von Afrika" ist ein weiteres, zwölfteiliges Gemälde, in dem sie in weicher Sepiafarbe das ganze Spannungsfeld dieses faszinierenden Kontinents umreißt.

Es lohnt sich, die Afrika-Bilder, bei denen Muster und Figur ineinanderzugreifen scheinen und Trompe-l'?il-Effekte ein Zusätzliches an Verwirrung stiften, genauer zu analysieren. Fassungslos hingegen steht der Betrachter vor den bis zu drei Meter breiten Riesenformaten "Kriemhild klagt Hagen an" (2011) und "Der Streit der Königinnen" (2012): Es sind Fantasy-getriebene, knallbunte, figurenreiche Historienschinken à la Fin de Siècle, in denen die malerische Akkuratesse schnurstracks in unfreiwillige Komik mündet.

Info

Kunstraum Villa Friede, Mainzer Straße 141-143; bis 6. Dezember. Mi-Sa 14-17 Uhr. Katalog 18 Euro

Kunstraum 21

Wer dieser Tage den Kunstraum 21, gleich gegenüber vom Frankenbad, betritt, sollte genügend Zeit einplanen für die Seherfahrung, die ihn in der kleinen Galerie erwartet. Die sieben Bilder und drei Zeichnungen von Dirk Salz, die Galerist Hans Vetter dort zeigt, empfangen den Besucher nicht gerade mit offenen Armen.

Perfekt und kühl, fast abweisend und mit sich selbst beschäftigt, scheinen sie niemanden zu brauchen, der sie anschaut. Aufwendig und langsam entstehen die Bilder, denen jeglicher malerischer Gestus fehlt. Dirk Salz trägt pigmentiertes Harz Schicht für Schicht auf Holz- oder Aluminiumplatten auf, klebt zwischendurch Teile der Bildfläche ab, um farbige Überlagerungen zu erwirken und versiegelt das Bild schließlich mit Polyurethanlack.

Die hochglänzende glatte Oberfläche wird zum Spiegel, der zwar die Umgebung wiedergibt, aber den Blick auf sich selbst zunächst verweigert. Nun aber wird es spannend, denn je unausweichlicher der Betrachter mit seiner eigenen Reflexion konfrontiert wird, desto anziehender wird das Gegenüber.

Dass man sich die Bilder von Dirk Salz in der Bewegung erschließen muss, wird schnell deutlich. Dann entdeckt man die Details: die Dicke der MDF-Platte mit den erstarrten Nasen aus Lack, die Unebenheiten in der Oberfläche und die Farbtöne, die aus dem Untergrund langsam aufsteigen.

In letzter Zeit hat Salz seine Arbeiten mit einer matten, geschliffenen Oberfläche versehen, in der sich nichts mehr spiegelt, sondern die das Licht im Gegenteil aufzusaugen scheint. Aber auch hier ist der Effekt ähnlich, wenn der Betrachter zwischen tatsächlicher Wahrnehmung, optischer Einbildung und gedanklicher Assoziation kaum noch zu unterscheiden weiß.

"Die Bilder von Dirk Salz sprechen zuerst den Intellekt an", sagt Galerist Hans Vetter. "Aber wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt, ziehen sie einen hinein und das Gefühl kommt hinzu." Die Zeit, die man sich dafür nimmt, ist gut investiert.

Info

Kunstraum 21, Adolfstraße 36; bis 29. November, Di-Fr 14-18, Sa 11-14 Uhr und nach Vereinbarung.

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