Der polyglotte Lattenzaun

Niels Hansen stellt sein Buch "Christian Morgenstern sechssprachig" im Bonner Universitätsclub vor und zeigt, dass der Humor keine Sprachgrenzen kennt

Bonn. Ein Wiesel sitzt auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel - und tut es bei Morgenstern um des Reimes Willen. Doch kann das raffinierte Tier hier sitzen bleiben, wenn es auch Leser entzücken möchte, die kein deutsch verstehen? Kann ein "unsinniger" Vers der Nonsenslyrik seinen eigentlichen Sinn - denjenigen, die Leute zum Schmunzeln zu bringen - in anderen Sprachen erfüllen? Der Gedichtband "Christian Morgenstern sechssprachig" beweist, dass es geht.

So zieht das Wiesel im Englischen auf eine "easel" (Staffelei) um und ist im Französischen eine "belette coquette", die ihre "toilette" macht. Auch bei den anderen Galgenliedern - etwa bei dem berühmten "Nasobem" oder bei "Die beiden Esel" - funktioniert Morgensterns Humor auf Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Hebräisch hervorragend.

Insgesamt 30 Gedichte mit ihren Entsprechungen in den anderen fünf Sprachen hat Herausgeber Niels Hansen zusammengestellt und hierfür über siebenhundert Morgenstern-Übertragungen in den meisten europäischen Sprachen untersucht. "Der Lattenzaun", der im Englischen fast besser klingt als im Original, fehlt ebenso wenig wie "Das Mondschaf", bei dem zusätzlich noch die von Morgenstern selbst verfasste Übertragung ins Lateinische, "Lunovis", aufgenommen wurde.

Bei einigen Gedichten musste Hansen sich, wie er während der Buchvorstellung im Bonner Universitätsclub erklärte, auch mit Esperanto aushelfen: bei "Der Werwolf" und "Die Trichter", die nicht auf Italienisch beziehungsweise Spanisch vorliegen. Aber dieser Kunstgriff wäre sicher ganz im Sinne Morgensterns, hatte er selbst doch in jungen Jahren mit Vorliebe in Volapük - dem Vorgänger des Esperanto - korrespondiert.

Und noch eine weitere "Sprache", die Sprache der Bilder, ist bei dem sehr ansprechend gestalteten Gedichtband nicht vergessen worden. Die Illustrationen des vielfach ausgezeichneten israelischen Künstlers Igael Tumarkin belegen, dass der Sinn von Morgensterns Gedichten auch ganz ohne Worte ausgedrückt werden kann.

Dass das Hebräische zur Sammlung hinzu gezogen wurde, obwohl Morgenstern selbst keinen jüdischen Hintergrund hat, liegt übrigens in Niels Hansens eigener Biografie begründet. Als deutscher Botschafter in Israel hat er bei Lesungen im Goethe-Institut die Begeisterung jüdischer Zuhörer für Morgenstern erlebt und von ihnen zahlreiche gereimte Übertragungen ins Hebräische erhalten. Nun zeigte sich auch das Bonner Publikum enthusiastisch, als der bereits 80-jährige Hansen aus dem Stegreif Morgensterns Gedichte polyglott vortragen konnte.

Niels Hansen (Hrsg.): "Christian Morgenstern sechssprachig", Verlag Urachhaus, 25 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort