Pantheon-Casino Der Musikkabarettist Frank Grischek spielt Stücke von Bach und Bizet

Seine große Liebe heißt Borsini und ist eine rassige Italienerin mit großer Stimme. Dass sie so viele Falten hat, stört Frank Grischek nicht: Ihn und sein Akkordeon verbindet wahre Leidenschaft, die aber auch viel Leiden schafft: Das 1829 als radikaldemokratrischer Klangerzeuger für Jedermann erfundene Instrument wird außerhalb der Niederungen volkstümelnder Musik gern ignoriert, bleibt trotz seiner Vielseitigkeit oft unerhört.

Deshalb tourt Grischek mit seinem Soloprogramm "Unerhört" derzeit durch Deutschland, und auch das Casino des Pantheon kam in den Genuss des unerhörten Könnens eines wahren Akkordeonisten. In dessen Leidensmiene haben sich die Kummerfalten fast so tief eingegraben wie in den Balg seiner Borsini, und Grischek klagt an: Allenfalls in Fußgängerzonen und bei fröhlichen Familienfeiern sei das Akkordeon gern gesehen, ansonsten friste es ein Schattendasein, ganz im Gegensatz zu seinem tangoseligen kleinen Bruder, dem Bandoneon - das alle mögen, obwohl es viel weniger kann.

Was so eine große Ziehharmonika alles drauf hat, demonstriert Grischek mit atemberaubender Virtuosität: Die Finger fliegen so schnell über Tasten und Bassknöpfe, die Dynamik ist so fein abgestuft und der Ausdruck auch dank elektronischer Verstärkung so intensiv, dass Piazzollas "Libertango" ebenso abhebt wie der französische Musette-Walzer "Sous le ciel de Paris" und das Feuerwerk irischer Folk-Tunes.

Warum die großen Komponisten des 19. Jahrhunderts nichts für das Akkordeon komponiert haben, ist noch unbegreiflicher, wenn man Bizets "Carmen", Chopins Walzer und Brahms' Ungarische Tänze im Borsini-Idiom gehört hat. Zwischendurch erfahren wir, dass wir Bachs Toccata in d-Moll weniger aus der Kirche kennen als vom Akkordeonisten zwischen Schuhgeschäft und Schnellrestaurant, dass dieser überall dort in Kreisverkehren und Toilettenhäusern spielen muss, wo das Tiefbauamt für die Genehmigung zuständig ist - und dass EC-Karten-Lesegeräte in Zeiten bargeldlosen Zahlungsverkehrs zur Grundausstattung jedes Straßenmusikers gehören.

Nicht immer kommen die oft abgelesenen oder gestelzt abgespulten Texte so witzig an, wie sie gemeint sind: Der Kabarettist Frank Grischek könnte sich von der Spontaneität und dem Timing des Akkordeonisten Grischek noch einiges abgucken.

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