Der längste Laufsteg der Welt

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt Takeshi Kitanos poetisches Film-Gemälde "Dolls", dessen Protagonisten in edlem Tuch von Stardesigner Yamamoto durch die Kirschblüte wandeln

Bonn. Was haben ein Fabrikarbeiter und ein finsterer Yakuza-Boss, ein einfacher Angestellter und dessen Chef, ein Pop-Sternchen und sein Fan gemeinsam? Sie alle sind in edles Tuch des weltberühmten Modedesigners Yamamoto gehüllt. Jedenfalls ist das in Takeshi Kitanos neuem Film "Dolls" so.

Und der Laufsteg, auf dem die Protagonisten die Roben des japanischen Nobelschneiders vorführen, ist lang: Er führt nicht nur durch das Leben dreier Menschenpaare, sondern auch durch vier Jahreszeiten, die der weiten Landschaft ihr charakteristisches Farb-Klima geben.

So beginnt ein junges Paar, durch ein Tau auf ewige Zeiten verbunden, seine Reise auf einer endlos scheinenden Kirschblüten-Allee, läuft einen sommerlichen Strand entlang, durchquert einen Park voller roter Ahornblätter, endet schließlich tragisch in einer märchenhaften Schneelandschaft.

Das junge Paar, erzählt Kitano, hatte sich einst verlobt. Doch der Mann, Matsumoto, entscheidet sich für Karriere und Geld, will die Tochter des Chefs ehelichen. In die Hochzeitsvorbereitungen trifft die Nachricht vom Selbstmordversuch der Verlobten Sawako.

Matsumoto lässt Braut und Schwiegereltern stehen, eilt ins Krankenhaus, folgt der Geliebten auf dem somnambulen Weg in eine andere Welt. Ein Stoff von mythischer Tragweite. So beginnt denn auch Kitanos Film "Dolls" (Puppen) mit dem japanischen Puppentheaterstück "Der Bote der Unterwelt", einem Werk in der Tradition des seit dem 16. Jahrhundert existierenden Bunraku.

Die ruhigen Bilder Kitanos, die Statik seiner - lebendigen - Figuren, die äußerst sparsam mit Gesten und Sprache umgehen, schließlich das schlichte und doch elegante Design Yamamotos setzen mit bedächtigem Duktus die Geschichte fort, übertragen sie ins 20. Jahrhundert, ohne die zeitlose Gültigkeit des Epos zu vergessen.

"Dolls" besteht aus einem filigranen Gewebe voller Rückblenden und surrealen Elementen, die die Logik der Geschichten unterlaufen. Selbst wenn Reales in den Episoden des Films zum Thema wird, etwa das raue Treiben der Yakuza-Killer, das Elend der Bettler oder die Welt des Pop-Business: Alles ordnet sich der artifiziellen, zauberhaften Bildsprache von Kitano unter, an der Yamamoto entscheidenden Anteil hat.

Einmal mehr beweist er hier ein hohes Maß an Einfühlsamkeit: Gelobt wurde vor Jahren sein Design für Heiner Müllers "Tristan"-Inszenierung in Bayreuth, auch bei dem eher kammerspielartigen Film "Dolls" trifft er mit seinen Kostümen den richtigen Ton.

Kitanos Film, der im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Venedig und den Hofer Filmtagen zu sehen war, kommt am 30. Oktober in die deutschen Kinos. Im Rahmen der Ausstellung "Japans Schönheit - Japans Seele" in der Bundeskunsthalle feiert "Dolls" am Sonntag Premiere.

Forum der Bundeskunsthalle, Sonntag, 19. Oktober, 15 Uhr.

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