Kreaforum in Swisttal Der alltäglich Wahnwitz in Ost und West

Swisttal-Morenhoven · Ja, das waren noch Zeiten, als der Filius satt und zufrieden in seinem Kinderbett lag und sich stundenlang vom Spiel der Holzkügelchen in der Raufasertapete oder dem schwarz-weißen Muster der schwedischen Stehlampe faszinieren ließ. Doch die einst "rucksackgroße Biogasanlage" wächst munter heran. Und so stellen sich ihrem Vater - dem Berliner Kabarettisten Nils Heinrich - Fragen über Fragen.

 Mit seinem Programm "Mach doch'n Foto davon" war Nils Heinrich im Kreaforum in Morenhoven zu Gast.

Mit seinem Programm "Mach doch'n Foto davon" war Nils Heinrich im Kreaforum in Morenhoven zu Gast.

Foto: Axel Vogel

Ein paar davon hat er jetzt im ausverkauften Morenhovener Kreaforum beantwortet und den Zuschauern, die sich einen der begehrten Plätze dort schon zu Beginn der laufenden Saison gesichert hatten, demonstriert, warum das keine üble Idee war.

Eine ziemlich gute sogar, denn der 44-Jährige aus Sachsen-Anhalt überzeugt mit scharfkantigem Sarkasmus und subtilem Wortwitz; ist seit Dezember 2013 mit einer wöchentlichen Radio-Glosse auf WDR 2 zu hören und hat Volker Pispers nach 13 Jahren auf diesem Sendeplatz abgelöst.

"Mach doch' n Foto davon" heißt sein aktuelles Programm: inklusive Aufkleber und Button, die man praktischerweise überall draufkleben kann. Um das Brandenburger Tor umgehend an alle zu posten, die möglicherweise schon vergessen haben, wie es aussieht - tempus fugit.

Ja, so denkt Nils Heinrich - während er in der Schlange der Bäckerei steht und die ausgelegte Ware begutachtet, deren Alter allein der forensische Biologe Mark Benecke bestimmen könnte - ja, es gibt gar keinen Grund, keine Angst vor der Zukunft zu haben.

"Wenn Dein Auto per Facebook mit anderen Autos befreundet ist" und "Munitionsfabrikant" sich als der lukrativste aller Berufe bewährt hat: "Waffen hat man irgendwann genug, selbst in den krisensicheren Absatzmärkten im Nahen Osten oder Zentralafrika. Aber Muniton geht immer. Da lässt sich denn auch das lästige Kundenmanagement getrost vernachlässigen: Zufriedenheitsstudien, Rückrufaktionen, Nachhaltigkeit?" Völlig überbewertet.

Aber ach, die Welt ist so gar nicht das, was sie einst versprach, als der Kleine noch zu Hause zufrieden vor sich hinmümmelte: Die Fifa feiert Nikolaus-WM bei den Beduinen - die Russen dagegen müssen ein paar ihrer Spielstätten erst noch erobern. Fernsehen gibt es in 3D. "Soll heißen: Die Wildecker Herzbuben stehen bei Dir im Wohnzimmer und wollen an deine Chips".

Derweil steckt der Fischer-Dübel in den Gehörgängen - atemlos bei Tag und Nacht - und die Leute rezensieren im Internet nun sogar schon Margarine. Vielleicht wären ein paar Jahre Schlaf keine schlechte Idee. Aber was dann? Wenn man nach dem Aufwachen drei Stunden im verschlossenen Auto festsitzen, weil der fahrbare Untersatz gerade ein Software-Update durchführt?

Das mit der Entschleunigung ist dieser Tage so eine Sache. Aber zwei Stunden innehalten und sich über den alltäglichen Wahnwitz in Ost und West lustig machen - das geht schon. Und mit einem wie Nils Heinrich noch viel besser.

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