Beethovenhalle in Bonn Deborah Sasson brilliert als Christine in "Das Phantom der Oper"

BONN · Erstaunlich viele Menschen sind immer noch der Ansicht, dass die Geschichte um "Das Phantom der Oper" von Andrew Lloyd Webber stammt. Was die fast erdrückende, jahrzehntelange Dominanz der Musicalfassung aus der Feder Webbers zwar unterstreicht, aber natürlich trotzdem falsch ist.

Der ursprüngliche Roman, geschrieben von Gaston Leroux, erschien 1911, und Webbers Musical ist eben bloß eine Adaption unter sehr vielen. Der berühmte Schauerroman erlebte bislang etliche Interpretationen in Form von Bühnenwerken, Kinofilmen, Hörspielen und anderen Disziplinen.

In der ausverkauften Beethovenhalle war nun die fesselnde und berauschende Musicalversion der weltweit renommierten Sopranistin Deborah Sasson zu erleben. Die aus Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) stammende Absolventin der Meisterklasse von Leonard Bernstein hat dabei nicht nur die Hauptrolle der Christine, sondern auch die künstlerische Gesamtleitung inne.

Das Chormädchen Christine Daaé (Deborah Sasson) hat im Paris des späten 19. Jahrhunderts einen (un-) heimlichen Förderer: das Phantom der Oper. Axel Olzinger verleiht der Titelfigur eine mitreißende, bühnengreifende Dynamik und ist ebenso imstande, Momente tiefer Verzweiflung zu entwerfen. Dem Phantom genügt es nicht, Christine zum neuen Star des Opernhauses zu machen. Der Mann, der seine grässlich entstellte Gesichtshälfte hinter einer weißen Maske verbirgt, will die junge Schönheit ganz besitzen.

Aber Liebe lässt sich nicht erzwingen, und wer eine unabhängige Frau als sein Eigentum betrachtet, hat sie bereits verloren. Die Ménage à trois komplettiert Raoul Comte de Chagny, mit frischer, draufgängerischer Noblesse fabelhaft verkörpert von Jochen Sautter (schrieb mit Deborah Sasson das Buch, zudem Autor der Liedertexte und Regisseur). Christines Herz gehört Raoul, und in den Katakomben unterhalb der Pariser Oper kommt es zur Entscheidung: Jener großen, funkensprühenden Liebe kann und will das Phantom schließlich nicht mehr im Wege stehen.

Diese Produktion ist eine umwerfende Neufassung des beliebten Stoffes. Für Heiterkeit sorgt regelmäßig das Direktorenduo, insbesondere der exaltierte Moncharmin (Nils Schwarzenberg). Das Buch orientiert sich enger an Leroux' Originalvorlage (so verliert etwa La Carlotta ihre Stimme in einer "Faust"-Aufführung), und die eingebauten klassischen Opernzitate in der Partitur von Deborah Sasson sorgen für eine authentische Färbung.

Wer braucht da noch Webber? Deborah Sasson ist unwiderstehlich sinnlich, ihre betörende Stimme bringt die Bühne zum Leuchten. Ihre Interpretation von "Se Tu M'Ami" (Pergolesi) ruft eine Gänsehaut hervor. Als Zugabe singt sie "Habanera" aus Bizets "Carmen". Magische Momente mit einer Göttin.

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